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  • KinzUndHunz

249 Beiträge seit 10.07.2018

Grösserer Kontext?

In den letzten Jahren hat sich zwischen den kapitalintensiven "traditionellen" Medien - grosse Verlage, Zeitungen, Rundfunksendern - und den internetbasierten "alternativen" Medie (dem Internet, seit Web 2.0 zunehmend "sozialen" Medien ) ein Kampf nicht nur um Deutungshoheit, sondern ebenso um Zielgruppen und Werbeeinnahmen aufgeschaukelt.

Damit geriet vor allem die Rolle des "Leitmediums" unter Druck, das (ungefähr analaog der "Leitkuh") die Herde der übrigen (regionalen, lokalen) Medien hinter sich herzuziehen hatte und den Kurs bestimmte, und, mit zunehmender Medienkonzentration, auch den-, Ausland-, Inland- und Wirtschaftsteil den konzerneigenen Regional- und Lokalblättern fertig ins Haus liefert. In der "alten" Medienwelt war Kapitalmacht gleich Medienmacht. Verlage wie Springer, Bertelsmann, in CH Ringier, und Titel wie NZZ, FAZ, Spiegel, für den Boulevard Bild und Blick (CH), sowie öffentlich-rechtliche Sender wie ARD, SRF, ZDF, ORF X, Medienoligarchen wie Rupert Murdoch steckten das Terrain ab, innerhalb dessen Fragen gestellt und beantwortet werden konnten bzw.durften. Das war die Medienwelt Walter Lippmans, die Noam Chomsky und Edward S. Herman als "Propagandamodell" der Medien beschrieben ("Manufacturing Consent").

https://de.wikipedia.org/wiki/Propagandamodell
https://en.wikipedia.org/wiki/Manufacturing_Consent

In diese Idylle einer kapitalintensiven und deshalb durch Kapitalschwere kontrollierbaren Medienwelt platzte in den neunziger Jahren das Internet (Web 1.0) mit seinen Homepages und Blogs, durch die sich alternative, oppositionelle, meinetwegen auch fragwürdige bis absurde Diskurse (wer urteilt eigentlich darüber?) einen Weg zu einem potenziell breiten Publikum bahnen konnten, vorausgesetzt es wurde danach gefragt. Ähnlich wie vormals die Druckerpresse und die damit herstellbaren Flugblätter gab das Internet kapitalschwachen Gruppierungen ein Mittel in die Hand, ihre Positionen einem potenziell unbegrenzten Publikum zu vermitteln. Ein Server und eine Webadresse reichte dazu aus. Das war die Basis u.a. der globalisierungskritischen Bewegung, die es schaffte, einen unüberhörbaren Kontrapunkt zur damals durch die traditionellen Medien propagierten "Einheitsideolgie" der neoliberalen Globalisierung zu setzen. Die Vorherrschaft der traditionellen Medien und der "Leitmedien" wurde ernsthaft in Frage gestellt. Es konnten Inhalte an die Öffentlichkeit gelangen, die von den Filtern der traditionellen Medienwelt im Keim erstickt worden wären.

"Web 2.0", die "sozialen Medien", waren der erste entscheidende Schlag gegen diese unerträglichen Zustände. Die zentral verwaltete Kombination aus Werbeplattform, Contact Tracing und betreutem Posten, wie sie Facebook idealtypisch verkörpert, führten bei einer ganzen Generation bis dahin wenig neulandaffiner User zum Irrglauben, dass es sich dabei um "das Internet" handle. Damit fand zunächst das Kapital, sodann zunehmend die Kontrolle über die Inhalte ihren Weg in die neue Welt der packet switched communication. Die Bedrohung durch Unkontrollierbares und vor allem: kommerziell Unverwertbares war damit bereits einmal entscheidend reduziert.

Nicht zufrieden damit sind nun natürlich die alten Verlage, Titel, Oligarchen, denen Web 2.0 die Jugend und die Werbekunden abzugraben droht. Was liegt also näher als eine grossangelegte Kampagne gegen die "sozialen Medien", in denen Verschwörungstheorien, Desinformation, Reichsbürgertum und Geschwurbel aller Art ihr Unwesen treiben und die Mental Public Health aufs Übelste in ihren Grundfesten erschüttern?

Geschätzte Leser, geschätztere Werbekunden, kommen Sie doch bitte, bitte zurück zu ihren Leitkühen, Leitartikeln und Leitartiklern, die frühmorgens ihre Feder schwingen und Ihnen die Welt erklären, wie sie wirklich ist.

Das Posting wurde vom Benutzer editiert (23.04.2022 00:08).

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