ScharfGeschnitten schrieb am 08.06.2024 15:03:
Ich meinte hier noch nicht einmal zwingend irgendwelche Microcontroller, sondern u.a. unbestückte Leiterplatten, passive Bauelemente, Lüfter.
Das ist nur nichts, was strategisch wichtig ist. Wenn die Chinesen das sanktionieren sollten, kann das auch anderswo hergestellt werden. Vielleicht zu etwas höheren Kosten, aber nun ja... mir fällt übrigens auf, dass das der Grund sein könnte, warum so viele Staaten und die EU so scharf auf Freihandelsabkommen sind: Die wollen die Skalierungsvorteile der Chinesen ausgleichen.
Bei Leiterplatten steuert die amerikanische Regierung mit Zöllen gerade entgegen. Ansonsten wäre abzusehen gewesen, dass innerhalb von 5 Jahren wenige chinesische Firmen den kompletten Markt für unbestückte Leiterplatten beherrschen, einfach weil sie die Kostenführerschaft haben. Seitdem unbestückte Leiterplatten für Handys mindestens 12 Lagen haben, sind das auch nicht mehr die 2 Dollar billig- Bauteile.
Das ist schon klar, das ist auch nichts, was man so mal eben aus dem Ärmel schüttelt.
Aber es ist auch nichts, das man sich im Bedarfsfall nicht relativ schnell wieder beschaffen kann.
Die Chinesen haben ja sogar mal versucht, über so ein Sanktionsregime politische Hebel zu betätigen. Sie nannten das nicht Sanktionen, aber es waren Exportbeschränkungen.
Stellte sich raus, dass zu viele Bergbaufirmen Pläne in den Schubladen hatten, ihre eigenen, vorher durch die chinesische Umweltdumpingkonkurrenz unwirtschaftlich gewordenen Bergwerke wieder aufzumachen.
Endergebnis: Der chinesische Weltmarktanteil an seltenen Erden ist von >90% auf irgendwas um 60,70% gesunken.
Es gibt halt Produkte, die sind ersetzbar, wie Rohstoffe oder halt auch Leiterplatten.
Und Produkte, wo es wirklich Weltmarktführerschaft braucht, sonst braucht man gar nicht erst anfangen, und dazu gehören hochintegrierte ICs.
Bei Leistungshalbleitern weiß ich nicht, in welche Kategorie die gehören. Da ist die Prozesstechnik gewiss anspruchsvoll, aber man braucht nicht diese irrwitzige Nanometer-Skalen, das macht's einfacher.
Obgleich... es gäbe eine einfache Formel: Wenn die Chinesen das in 10 Jahren nachbauen können, können wir das auch; wenn sie es nicht nachbauen können, haben wir kein Problem.
Relevant wird es erst dann, wenn die Chinesen in irgendeinem Bereich eigene Spitzenforschung hinkriegen und das auch noch in die Industrie übertragen kriegen.
Übrigens hat ja auch Deutschland und die EU versucht, eine eigene Chipfertigung aufzuziehen, viel draus geworden ist ja nicht.
Was die High- Ende Chips angeht: Die Sanktionen zwingen die Chinesen neu zu denken. Bei diesem neuen Denken können durchaus sehr viel günstigere Fertigungsverfahren für High- End Chips bei rauskommen. Das Resist- muss ja nicht zwangsläufig via EUV bzw. elektromagnetische Strahlung aktiviert werden. Ja, möglicherweise braucht es gar nicht zwingend ein Resist.
Es liegt nicht am EUV.
Es liegt an all dem Drumherum.
Ein Beispiel:
Die heutigen Chips werden jenseits der Auflösungsgrenze aller Lichtmikroskope gebaut, du kannst also nicht mal eben ein Foto der Chipfläche schießen und Oberflächendefekte zählen.
Mit Elektronenmikroskop hat die Auflösung, aber das hat ein winziges Sichtfeld.
Wenn deine Anlage also Ausschuss produziert, musst du wissen, wie du die Defekte lokalisierst und die Ursache einordnest, und für dieses Ratespiel braucht es Prozesserfahrung.
Die Chinesen mit ihrem Fokus auf vorhersagbare Erfolge sind für diese Sorte Learning by Doing schlecht gerüstet, und da nützt ihnen auch ein hoher Anteil an Mathematikgenies aus der Schule nicht, denn Schule gibt einem nun mal keine Berufserfahrung.
Es gibt dann noch die Geschichte, dass US-Firmen durch Gier getrieben sind, weil sie die Gewinne aus technologischem Vorsprung behalten dürfen, während chinesische Unternehmen durch Vorsicht getrieben sind, weil Milliardäre ganz schnell auf der Abschussliste landen.
Ich hatte das anderswo schon erwähnt; ich weiß natürlich nicht, wie sehr sich das auswirkt, aber die Vorteile liegen eindeutig eben nicht ausschließlich bei China.