Und das hängt nicht nur mit dem Schwinden der Solidarität in Folge des weitgehenden Verschwindens der klassischen Arbeiterklasse, die den Solidaritätsbegriff in Deutschland erst popularisierte, zusammen. Auch vor-kapitalistische Formen von Verbundenheit in Familien, Nachbarschaften und Berufsorganisationen/Zünften gehen verloren. Das Leitbild des "Homo oeconomicus" ist in den neoliberalen Gesellschaften des Spätkapitalismus zum beherrschenden Kulturmodell geworden. Und natürlich drückt sich das auch im Umgang mit einer Pandemie aus, die vor allem für Alte zur Gefahr für Leben und Gesundheit geworden ist, bei jüngeren aber i. d. R. nur zu moderaten Krankheitsverläufen führt.
Vergleicht man auf dem Dashboard der WHO die sehr unterschiedlichen Infizierten- und Verstorbenenzahlen in Ostasien und Europa/Nordamerika, fällt das Ergebnis für die selbsternannte Wertegemeinschaft des Westens verheerend aus. Der Erfolg Ostasiens hängt sicher mit kulturell-religiösen Aspekten wie ausgeprägtem Gemeinsinn, Ehrerbietung vor den Alten zusammen. Auch das bessere politische Krisenmanagement (aufgrund früherer Pandemieerfahrungen?) ist anzuführen.
Entscheidend ist aber evtl., dass der Kapitalismus in diesen Ländern einen anderen Entwicklungsweg beschritt und sich auch aktuell in einer anderen Entwicklungsstufe befindet. Aber ich gebe offen zu, dass mir in diesem Kontext vieles noch unklar ist. Gibt es eigentlich im Mainstream/im Netz irgendwo profunde vergleichende Betrachtungen über den unterschiedlichen Umgang mit Corona in der verschiedenen Weltregionen?