Die Theorie, dass es fließend immer weniger Sprachen würden, kriegst du in Linguistikseminaren nichtmal an Undergraduates vorbei, weil jetzt ganz grob und daneben aber trotzdem treffend eingeschätzt die Hälfte der "Anzahl an Sprachen" auf der Erde allein bei den Bewohnern von Papua Neu-Guinea gesprochen wird und sich ein Skandinavist dann gleich anschließen könnte, zu sagen: "Es gibt, auch wenn dieser Quatsch in der Wikipedia steht, keine 'Norwegischen Dialekte', sondern nur hunderte verschiedene Norwegische Sprachen".
Sprachen zählen ist immer Hexenwerk und dass sie permanent gleichzeitig in unterschiedliche Roichtungen entwickeln ist nichts, was mit der moderne plötzlich aufgehört hätte. Bei Martin Luther, dem Original-Martin-Luther, findest du beispielsweise noch eine KNG-Kongruenz von Adjektiven zu ihren Bezugsnomen, die bei uns verschwunden ist. Deutsche Spracheinheit wird durch die Kultusministerkonferenz in Austauisch mit dem Dudenverlag hergestellt und selbst die trauen sich bis heute nicht, zu entscheiden, ob es in formalisiertem Standarddeutsch korrekt "benutzen" (nördlich deutsch) oder benützen (südlich deutsch) heißen solle - selbst unsere postbühnendeutsche und dudendeutsche Spracheinheit zerfällt also schon während wir sie mit Kultusministerkonferenzen zimmern.
Das ist ähnlich wie die populäre Idee, fusionale Morphologie und Fälle würden in allen Sprachen irgendwie verschwinden, weil das schließlich in Westeuropa in den letzten 1000 Jahren so üblich gewesen wäre. Ist in (pseudodeutsche Litteratgion): "Eill händä- owe te juuh", das "ll" noch ein Wort, wie die Grammatikschulbücher behaupten, oder ist das stark fusionale Morphologie und was ist mit dem "ä-" (Bindestrich soll ein Kehlschluss sein) an "händä-", das nach Standardschreibung "that" lautet?
PS
Hätte Niederländisch nicht ein anderes Alphabet als Deutsch, würde vielen Deutschen die Sprachnähe viel stärker ins Gesicht schlagen: "Moeder" würder man in deutschem Alphabet: "Muder" schreiben, "oe" (nl) = langes "u" (de)
PPS
Der grund, warum wir Plattdeutsch und Bajuwarisch und Allemanisch "als Deutsch zählen", ist das Vorhandensein einer Dachsprache (Fachbegriff). Vereinfacht gesagt bedeutet das, niederländische Holländer, Seeländer und Friesen mappen ihre Lokalsprache auf eine standardniederländische Zeitungsschrift und bundesdeutsche Schwaben, Bayern, Mecklenburger und Friesen mappen ihre Lokalsprache auf eine standarddeutsche Zeitungssprache.
Das Posting wurde vom Benutzer editiert (24.08.2024 13:22).