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  • linuxbastler

175 Beiträge seit 23.01.2005

Zwei Verständnisfehler

Mir fielen zwei Details auf, die ich für erwähnenswert halte:

> Es gibt Leute, die staatliche Steuern generell ablehnen, und andere, die bei einzelnen
> Steuervorgaben meinen: "Hier wird mir im Vergleich zu anderen Gruppen
> unverhältnismäßig viel abverlangt. Andere werden bevorzugt!"

Es gibt praktisch niemanden, der Steuern generell ablehnt - im Sinne von "Das liegt im Promille-Bereich". Es gibt jedoch etliche Leute, die einen schlanken Staat anstreben - und dafür gibt es durchaus sehr gute Argumente. I.d.R. ist die Idee dahinter: Man mache soviel wie möglich privat - also selbst oder indem man es auf dem freien Markt kauft. Und das, was prinzipiell so nicht funktioniert, das macht der Staat. Praktisch alle "Schlanker Staat"-Fans sind sich einig, dass z.B. das Militär nicht privat sein darf. Dann gibt es Infrastruktur, bei der sich nur schwer mehrere nebeneinander betreiben lassen (z.B. das Schienennetz, die Straßen, Stromnetz, Wasserleitungen, ...).
Dagegen halte ich das "ich bezahle in Gruppe A zuviel im Gegensatz zu Gruppe B" eher für ein Massenphänomen. Ich kenne genau eine Person, die sagt "Ich zahle gerne Steuern". Und die bekommt EUR 4000 Netto und wenn der richtige Brief kommt, sieht sie das regelmäßig ganz anders.

> Einige Maximen der Marktwirtschaft lauten: "Jeder ist sich selbst der Nächste. Mir hilft
> niemand, warum sollte ich jemand helfen? Wer sich auf andere verlässt, ist verlassen.
> Verschon mein Haus,

Ich kenne niemanden, der nach dem Motto "Jeder ist sich selbst der nächste" durchs Leben geht. Das Motto mag korrekt sein, wenn man einkauft und Billig statt Bio wählt - das ist aber keine Lebenseinstellung. Was ich oft sehe ist die Bevorzugung "hierarchischer Sicherungssysteme", was sich durchaus gut begründen lässt.
Ist man in Deutschland arbeitslos, geht man zum Amt und hat das Recht auf Geld. Ob das zuviel oder zu wenig für volle gesellschaftliche Teilhabe ist, sei dahingestellt - niemand verhungert damit.
Man kann das aber auch anders lösen. Bin ich arbeitslos, bitte ich meine Familie um Hilfe. Kann die nicht helfen, frage ich in meiner Siedlung/meinem Stadtteil/meiner Kirchgemeinde. Können die nicht helfen, kann ich bei der Stadt fragen - ich fange also im kleinen Kreis an. Der Hintergrund ist, dass ich dem Geber in die Augen schauen muss und je näher der mir ist, umso mehr hab' ich den Drang, nicht bei ihm in der Kreide zu stehen und meine Lage zu verbessern.
Auch der Geber ist viel eher bereit jemandem zu helfen, der ihm näher steht, als in ein System einzuzahlen, bei dem man weder Einblick noch Einfluss auf die Empfänger hat.
Dieses Idee muss man nicht für gut halten, aber sie ist weder völlig abwegig noch ist sie menschenfeindlich oder egoistisch.

Nur zur Klarstellung: Ich bin nicht in der extremen Ecke der "Schlanker Staat"-Fans. Allerdings treiben mich einige Aspekte des deutschen "Dicken Staats" durchaus auf die Palme. Bestes Beispiel ist Unterhaltung im ÖR. Diese staatlich zu finanzieren (der Einfluss durch Regierung und co. darauf ist ein anderes Thema, was aber hier nichts zu Sache tut) halte ich für eine bodenlose Frechheit.

LB

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