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mehr als 1000 Beiträge seit 01.12.2023

Brauchen wir wirklich eine Wehrpflicht?

Wenn ich an die Diskussion zum Thema "Kriegstauglichkeit in fünf Jahren" erinnern darf, dann ist die Fragestellung zur Wehrpflicht von besonderer Brisanz. Offenbar ist die Teil der Bestrebungen, die Gesellschaft wieder auf einen potentielllen Kriegszustand einzuschwören. Wer der Feind sein bzw. woher die Bedrohung kommen soll, wird nicht deutlich gesagt, aber ahnen können wir es schon. Dazu reicht der Blick in die Medien.

Die Wehrpflicht muss nicht "neu eingeführt werden" - sie ist ja nie abgeschafft, sondern per Gesetz auf unbestimmte Zeit ausgesetzt worden. Folgerichtig kann sie auch jederzeit wieder eingeführt werden, es ist nur eine entsprechende Gesetzesänderung und eine Abstimmung mit Mehrheit in Bundestag und -rat erforderlich.

https://de.wikipedia.org/wiki/Wehrpflicht_in_Deutschland

Die Wehrpflicht in Deutschland bezeichnet die gesetzliche Pflicht männlicher deutscher Staatsbürger zur Ableistung von Wehrdienst in den Streitkräften der Bundesrepublik Deutschland. Sie besteht seit Juli 1956 und war bis 1. Juli 2011 mit der allgemeinen verpflichtenden Einberufung von Grundwehrdienstleistenden nach § 5 des Wehrpflichtgesetzes verbunden. Die Einberufung zum Grundwehrdienst wurde 2011 einfachgesetzlich auf den Spannungs- oder Verteidigungsfall beschränkt.

Die letzten paar Worte dürften der nötige Hebel sein, mit dem die Aussetzung auch wieder aufgehoben werden kann. Damit man von "Verteidigungsfall" sprechen kann, müsste allerdings eine feindliche Armee durch mindestens einen befreundeten Staat marschieren, so nicht in der EU selbst in einen Bürgerkrieg ausbricht. Deutschland grenzt an keinen potentiellen "Feindstaat". Also bleibt gegenwärtig nur der "Spannungsfall" - der ist unabhängig von der Distanz zum Gegner ...

Auch eine "Bestenlese" wie sie dem Verteidigungsminister vorschwebt, muss nicht unbedingt heißen, dass man auf eine allgemeine Wehrpflicht verzichten muss: die könnte dann ein Instrument für diese Lese sein. Ich glaube jedenfalls nicht, dass man wegen 4000 - 5000 jungen Menschen pro Jahr solche Geschütze auffährt und natürlich glaube ich nicht, dass im V-Fall ein paar tausend zum Wehrdienst verpflichtete "Besten der Besten" einen Stich machen gegen hunderttausende feindliche Soldtaten.
Also handelt es sich um eine Beruhigungspille in Kombination mit einem Versuchsballon: es wird getestet, ob es nennenswerten Widerstand aus der Bevölkerung gibt. Bleibt der aus, kommt die Wehrpflicht schneller, als wir glauben. Und aus 4000 jungen Menschen werden dann hunderttausend im Jahr.

Ich persönlich vermute, sollte der politische Wille zum Ende der Aussetzung der Wehrpflicht gegeben sein, dass noch vor der Sommerpause entsprechend eine Abstimmung vorgenommen wird. Mit "Glück" beginnt dann die Einberufung zum 01.01.2025 - dann hätte unsere Jugend Zeit, sich mit dem Prozess zur Verweigerung des Wehrdienstes zu beschäftigen. Wenn's dumm läuft, könnte aber sogar noch in diesem Jahr Schluss sein mit der wehrdienstfreien Zeit. Dann flattern die ersten Musterungsbescheide noch in diesem Jahr in die Briefkästen.

Bis zum 25. Lebensjahr können junge Männer zum Grundwehrdienst verpflichtet werden, beginnend mit dem 18. Lebensjahr. Ich meine, meinen Musterungsbescheid damals irgendwann mit 17 bekommen zu haben. Damals konnte ich erstmal blocken (Ausbildung) und habe nach der Ausbildung auch Mustern lassen, um mich dann gegen den Dienst an der Waffe zu entscheiden. Das war in den frühen 2000ern und, aufgrund der entspannten Lage in Europa, leichter als es womöglich zukünftig sein wird.

Das "einzig Gute" was ich mit dem Ende der Aussetzung der Wehrpflicht verbinde, ist die Wiedereinführung des Zivildienstes. Ich finde, das war damals eine gute & notwendige Zeit. Dieses Pflichtjahr (damals nur noch 10 Monate) hätte man durchaus nicht aussetzen müssen & der Ersatz durch den "BuFDi" hat sich nie so durchgesetzt.
Aber die jungen Leute wieder zum uniformierten Dienst verpflichten mit Blick auf die "Kriegstauglichkeit"? Das lehne ich ab.

Wir "brauchen" eine Wehrpflicht nicht, so wir weiterhin mit unseren Nachbarn in Frieden leben wollen. Sollen wir doch erstmal eine reine Berufsarmee unterhalten mit adäquater Ausbildung und für eine Verteidigungsarmee angemessene (voll einsatzbereite) Ausrüstung. Da brauchen wir keine atombombenfähigen F35 der US-Amerikaner, sondern können auf Eurofighter und Tiger-Hubschrauber setzen. Wir brauchen auch nicht mehr als 100.000 wehrfähige Menschen in Uniform, zzgl. zum zivilen Personal: es geht um Verteidigung. Für die Bündnisverpflichtung kann aus diesem Pool ein Teil abgestellt oder eigens "on top" rekrutiert werden. Und 100.000 - 150.000 Menschen für den Dienst an der Waffe auf einige Jahre zu begeistern halte ich für zielführender, maßvoller und deeskalierender, als potentiell ein Millionenheer allein aus der Wehrpflicht hinaus ausheben zu können.

Das Posting wurde vom Benutzer editiert (08.03.2024 23:56).

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