Ich hatte es mir eigentlich noch gar nicht so aus den realen Sieger-Verlierer-Verhältnissen vorgelegt, da bei objektiveren Einschätzungen von Erfolg und Mißerfolg meistens "Nach dem Spiel ist vor dem Spiel" gilt und jeder erreichte Erfolg dann auch wieder zu neuen Leiden und Gejammer führt. Erfolgsbilanzen sind ja meist so eine Sache und der Autor weist selbst darauf hin, dass die aus den nationalen Blickwinkeln der beteiligten Konkurrenten jeweils unterschiedlich gesehen und teils auch zu propagandistischen Erfolgsnachrichten hingebogen werden.
So sehen es beispielsweise die "ukrainischen Freiheitskämpfer", bzw. einer von ihnen, der vorbildhaft im TV-Interview an der Front vorgeführt wurde, nicht als militärische Unterlegenheit und Schwäche, wenn sie "guerilla"-artig mit Molotov-Flaschen auf russische Soldaten und Panzer losgehen. Im Gegenteil: Dem Vorrücken der Russen wird sogar "Schwäche" attestiert, weil sie ja "nur in veralteter militärischer Weise in einer geschlossenen Linie" vorrücken "können", - diese Loser.
So absurd das ist, es muss wohl eine Frage der richtigen Kampfmoral sein, also des Glaubens an den eigenen Erfolg, um den Krieg so "unsachlich" einzuschätzen. Und wenn der "Erfolg" von ukrainischer Seite ohnehin schon als "Freiheitskampf bis zum letzten Blutstropfen" definiert ist, dann kann auch ein zerstörtes Land mit vielen Heldengräbern, aber mindestens mit "Freiheit in der NATO", kaum noch als "Mißerfolg" gedeutet werden.
Dafür soll sich schließlich jedes Opfer lohnen und so gesehen zahlt sich Patriotismus auch immer aus. Zuguterletzt bieten sich "Hoffnungen" der Beteiligten an, auf ein baldiges Ende des Krieges und einen "Wiederaufbau", wie wir ihn beim Nachkriegs-Deutschland recht idyllisch und tugendhaft-motivierend aus zahlreichen History-Dokus dargestellt bekommen. Viele Deutsche haben sich ja bis heute nicht als "Verlierer" sehen wollen, sondern eher im trumpschen Sinne als welche, denen der Sieg nur von anderen gestohlen wurde.
Beim Lesen des Artikels fällt überdies auf, dass die perspektivische Gewinner-Verlierer-Verteilung kaum mehr als eine Reproduktion der Vor-Kriegsverhältnisse darstellt, nur das Russland noch weiter isoliert und härter als Feind bekämpft wird und die NATO dafür wieder einheitlicher zusammengerückt ist. Ihre früheren Streitigkeiten untereinander haben sie jedenfalls erstmal öffentlich suspendiert.
Noch weiter "perspektivisch" ausgesponnen, hätte sich selbst bei einer Aufnahme Russlands in die NATO - nach dem Abgang der Sowjetunion - sicherlich nichts "anders entwickelt", weil die friedlichen nationalen Interessen an der "bloß" ökonomischen Nutzung der Staatenwelt und die nationalen Regelungs- und Rechtsansprüche darauf, zu genau den gleichen Rivalitäten, Verurteilungen, Anfeindungen und militärischen Kräftemessungen geführt hätten.
Es ist nämlich nicht so, dass Kriege "entstehen", weil einer plötzlich zum "Bösen" mutiert und aus der ordnungsgemäßen Reihe tanzt. Die Gründe liegen in der so geordneten, möglichst friedlichen Benutzung der Welt zur nationalen Verwertung und der dazu nötigen nationalen Rechteverwaltung. Dementsprechend muss es im Imperialismus scheppern, wie es übrigens schon Lenin halbwegs richtig erkannte. Die USA, Europa, Russland und China stehen darin als die exponiertesten Mächte im Rampenlicht.