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mehr als 1000 Beiträge seit 25.12.2019

Re: Propaganda. Nur weil ein paar tausend Aktivisten Fahnen schwenken soll angeb

auf_der_hut schrieb am 25.03.2022 01:10:

Man kann sich Wählen sparen. Ich denke nicht, dass die Grünen gewählt worden sind, damit "wir Russland ruinieren", oder in Katar den Bückling machen, oder Fracking Gas aus den USA beziehen.

Das sehe ich nicht so. Dieser Ansicht liegt die unrealistische Annahme zugrunde, eine Regierung habe einen imaginären "Wählerwillen" abzubilden. Das ist diese Idee des Wahlomaten: ich schaue, bei welchem Parteiprogramm ich die größte Übereinstimmung finde und die wähle ich dann. Und diese Partei hat dann die Pflicht, meinen Willen durchzusetzen.

Vielleicht hast du mich falsch verstanden. Ich sage, dass die Wahl der Ermächtigung dient, und der Wähler ansonsten ausgemischt ist (der Abgeordnete ist nur seinem Gewissen veraantwortlich).

So etwas wie einen Wählerwillen gibt es nicht. Es gibt so viele Einzelmeinungen wie es Wahlberechtigte gibt, diese werden von den Parteien entlang bestimmter Grundlinien gebündelt, aber es wäre völlig unsinnig, daraus einen starren Auftrag herauslesen zu wollen.

Es ist umgekehrt. Eine Partei wie die Grünen sagt ja nicht einfach: ich will regieren, wählt mich. Sie sagt: ich trete für Umwelt- und Klimaschutz ein, für dies und das...
Gut, inzwischen sieht man auch oft nur noch Sprüche wie "der/die Beste für Deutschland".

Im Wahlprogramm der Grünen fehlt das Kapitel zur Reaktion auf einen russischen Einmarsch in die Ukraine genauso wie bei allen anderen Parteien. Das Programm ist eben nur ein Element bei der Wahlentscheidung, die anderen sind die Persönlichkeiten und die Übereinstimmung der Parteilinie mit grundlegenden Haltungen ihrer Wähler.

Und manch mündiger Wähler findet die Gesicher auf dden Wahlplakaten sympatisch, oder hat die Partei immer schon gewählt, oder in der Familie wurde schon seit Generationen so gewählt. Es gibt jede Menge erbärmliche Gründe, sie für die eine und gegen die andere Partei zu entscheiden.

Die Grünen sind die einzige Partei im Bundestag, die konsequent Distanz zu Putin gehalten und die wachsende Abhängigkeit von russischem Gas immer skeptisch gesehen hat, wenn auch nicht hauptsächlich aus sicherheitspolitischen Gründen. So sagte die damalige Fraktionsvorsitzende Göring-Eckard in einem Welt-Interview 2019:

„Das Projekt war von Anfang an falsch. Wir Grünen waren schon immer gegen Nord Stream 2. Die Pipeline bindet Deutschland auf Jahrzehnte an noch mehr russisches Gas“ (Quelle: https://youtu.be/sQ17Ex3dSNo)

Oliver Krischer, damals stellvertretender Fraktionsvorsitzender und heute Staatssekretär im Wirtschaftsministerium, sagte schon 2014 zum Verkauf des Gasspeichers in Rehden an Gazprom: "Ich will mir nicht ausmalen, wenn wir tatsächlich mal einen Krisenfall haben, wie dieser Speicher dann eingesetzt wird. Bestimmt nicht im Sinne der Menschen in Deutschland, bestimmt nicht im Sinne der Gasversorgungssicherheit in Deutschland."
(Quelle: https://www.deutschlandfunkkultur.de/energie-gruene-gegen-geschaefte-mit-gazprom-100.html)

Ausgerechnet der Grüne Habeck muss jetzt auslöffeln, was die anderen verbockt haben, obwohl die Grünen die einzigen waren, die immer wieder gewarnt haben. Man konnte ja fast körperlich spüren, wie unangenehm ihm der Besuch in Qatar war.

Da habe ich kein Mitleid.

Die Grünen sind seit Fischer keine pazifistische Partei mehr, aber sie stehen, ganz in der Tradition der Bürgerrechtsbewegung Bündnis90, für Bürgerrechte, für Widerstand und Distanz zu Diktatoren aller Art und für eine an der Durchsetzung der Menschenrechte ausgerichteten Außenpolitik. Notfalls auch mit militärischen Mitteln, z.B. im Rahmen von UN-Missionen. Diese Position muss man nicht teilen, aber sie ist ein Teil des (außen)politischen Meinungsspektrums und findet sich so nur bei den Grünen. Und deshalb machen Wahlen doch einen Unterschied.

Nun ist ein Minister eben nicht in erster Linie seinen Wählern, sondern dem ganzen Land verpflichtet. Da muss Habeck dann bei einem arabischen Despoten die reine grüne Lehre von der universellen Gültigkeit von Menschenrechten mal hintanstellen, damit in Deutschland im nächsten Winter die Heizungen noch warm werden. Realpolitik funktioniert eben nicht wie der Wahlomat. Und da wären wir wieder beim ominösen "Wählerwillen".

Und weil sie alle der Nation und nicht dem Wählerwillen verpflichtet sind, kann man sich das Wählen auch sparen. Wenn es ohnehin nur darum geht, die Interessen der Nation zu verwalten, dann ist es auch egal, welches Personal das besorgt.

Bei den Grünen kann man schön studieren. Die sind jetzt "politikfähig", haben alles, was nicht zu den Belangen der Nation passt über Bord geworfen. So wie die SPD, die ja mal als Interessenvertretung der Arbeiter angefangen hatte.

Mal so gefragt, gibt es eine relevante Partei, die sich nicht fürs Wirtschaftswachstum einsetzen will?

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