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  • Pragmatiker

mehr als 1000 Beiträge seit 26.05.2002

Es handelt sich hier schlicht und ergreifend um eine reaktionäre Gegenbewegung

Der sog. "Populismus" ist doch aber kein reines US-Phänomen, und somit halte ich es für äußerst fragwürdig, Trumps Sieg als Ergebnis von US-spezifischen gesellschaftlichen Entwicklungen deuten zu wollen. So langsam aber sicher sollte man sich doch mal fragen, warum in einem westlichen Staat nach dem anderen Personen und Parteien an die Macht kommen, die vom politischen Establishment als "populistisch" verunglimpft werden.

Meiner Ansicht nach handelt es sich hier schlicht und ergreifend um eine reaktionäre Gegenbewegung zu den Entwicklungen der vergangenen Jahrzehnte. Und dabei geht es keineswegs allein um die wirtschaftlichen Folgen der Globalisierung, sondern vor allem auch um die politischen und gesellschatlichen Entwicklungen der vergangenen Jahrzehnten. Man hat den Menschen einfach zu viele Veränderungen in zu kurzer Zeit zugemutet.

Anders als die sich selbst für progressiv haltenden Kräfte lange Zeit glaubten, finden es nun einmal längst nicht alle westlichen Bürger toll, dass immer mehr Entscheidungen auf supranationaler Ebene getroffen werden. Wenn sich die gewählten Repräsentaten zuerst mit den Repräsentanten anderer Staaten abstimmen, bevor sie mit ihrer eigenen Bevölkerung in Dialog treten, dann fühlen sich viele Bürger einfach nur verraten und verkauft. Und wenn "progressive" Kräfte erklären, unser traditionelles gegliedertes Schulsystem widerspreche der UN-Behindertenrechtskonvention, dann fragen sich viele Bürger zuallererst, warum ihre Repräsentanten diese Konvention dann überhaupt unterschrieben haben, ohne die daraus folgenden Einschränkungen des nationalen Handlungsspielraums zuerst mit ihnen zu diskutieren.

Gleichermaßen finden es auch längst nicht alle westlichen Bürger toll, wenn die sich selbst für progressiv haltenden Kräfte unter dem Deckmantel der Gleichberechtigung und des Minderheitenschutzes in bester Orwellscher Manier immer neue sprachliche Tabus zu etablieren versuchen. Wenn Gesetzestexte und Verordnungen, die ohnehin nie Musterbeispiele für leicht verständliche Texte waren, durch gendergerechte und politisch korrekte Umformulierungen selbst für Akademiker mit Hochschulbildung kaum noch zu verstehen sind, dann ist das für viele Bürger einfach nur ein Beleg, dass etwas gravierend schiefläuft. Und wenn Minderheitenschutz plötzlich so allumfassend ausgelegt wird, dass die Interessen der Bevölkerungsmehrheit nur noch eine untergeordnete Rolle zu spielen scheinen, dann ist es aus Sicht vieler Bürger Zeit für eine Kurskorrektur.

Nein, man sollte nicht den Fehler begehen, die aktuellen Entwicklungen allein auf sozioökonomische Fehlentwicklungen zu reduzieren. Diesen Bürgern geht es nicht allein darum, dass ihre Arbeitsplätze gefährdet sind. Die politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen der vergangenen Jahrzehnte spielen für sie eine mindestens ebenso große Rolle. Eine wachsende Zahl von Bürger fühlt sich schon seit geraumer Zeit zunehmend überfordert von immer mehr Veränderungen in immer kürzerer Zeit, und diese Bürger haben mittlerweile eine Zahl erreicht, die ausreicht, um das Pendel in dei Gegenbewegung ausschlagen zu lassen. So einfach ist das.

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