Da Ihr Kommentar offenbar (auch) gegen meinen Beitrag gerichtet ist: Bitte genau lesen ! Ich habe mit keinem Wort die völkerrechtswidrige Invasion in die Ukraine gerechtfertigt oder relativiert, sondern darauf reagiert, dass der Basisartikel, der die völlig korrekte Analyse und Atomkrieg-Befürchtung des rechts-konservativen (!) ehemaligen Staatsministers Klaus von Dohnanyi enthält, hier bereits zur Polemik führt, dass "heise schon von Putin übernommen sei". Gutmenschentum und Empörung sollten nicht den Blick auf die real- und machtpolitischen Fakten verstellen, denen Europa und v.a Deutschland nun eben leider gegenüber steht. Die westliche Ausgangsposition wäre wenigstens besser, würde Europa und D über eine reale, eigenständige Abschreckungsoption verfügen. Das ist kaum der Fall. Biden hat in seiner Rede unmissverständlich klargestellt, dass sich die USA nicht in einen Krieg gegen Russland in der Ukraine hineinziehen lassen. Wollen Sie einen Atomkrieg mit Auslöschung unseres Landes mit dem moralischen Impetus gegen den Ukraine-Krieg rechtfertige bzw. in Kauf nehmen ? Selbst der Hardliner und Talk-Dauergast Röttgen hat gestern bei Lanz große Sorgen vor der Reaktion eingeräumt, wenn Putin sich in die Ecke gedrängt fühlt. die israelische Regierung verweigert sich martialischen Kommentaren und Stellungnahmen, und der Bundeswehr-Experte Masala kritisiert die öffentliche Ankündigungen von millionenschweren Militärhilfen und Lieferungen von Kampfjets. Ach so, alles Putinversteher ;-) Die deutschen Vertreter, die bei allem Verständnis und Mitgefühl für die Ukraine v.a. auch der Sicherheit der eigenen Bürger verpflichtet sind, gefallen sich dagegen in ihrer unverantwortlichen Scharfmacherrolle mit Aussagen wie "Auslöschung der russischen Wirtschaft" (v. d. Leyen und andere), "Putins Fratze" (der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses Michael Roth bei "Hart aber fair"). Letzterer hat aber als angefragte Reaktion auf eine atomare Bedrohung nur die bekannten, hilflosen Floskeln von Unrechtmäßigkeit zu bieten. Auch im Kleinen fühlen sich Deutsche stets moralisch besonders berufen und überlegen, wenn bspw. in BW per Aushang vor einem Lokal Bürger mit russischem Pass als unerwünscht gebranntmarkt werden. Oder wenn Kunstschaffende zu öffentlichen Stellungnahmen gezwungen und andernfalls mit Kündigung versehen werden wie zuletzt der Dirigent des Münchner Sinfonieorchesters. Vor diesem Hintergrund und anderen Konflikten sind auch meine Hinweise auf die anderweitig häufige deutsche Doppelmoral gerechtfertigt und bedeuten keineswegs die Relativierung oder gar Legitimation des Angriffskrieges. Die Proteste und Friedensdemos sind völlig in Ordnung, auch finanzielle und humanitäre Hilfen (ich habe auch gespendet), - vielleicht in begrenztem Umfang auch Verteidigungshilfen. Diese sollten allerdings sehr sorgfältig überlegt und abgewogen werden, wir sollten nicht aus russischer Perspektive Nachschubgebiet des Krieges werden und Putin diesbezüglich Vorwände liefern. Offenbar hat der NATO-Oberbefehlhaber die Lieferung der Kampfjets verweigert, was eine weise Entscheidung ist. So schlimm, berührend und traurig es ist, - Deutschland und Europa werden letztendlich die Kapitulation der Ukraine nicht verhindern können, allenfalls den Konflikt und das Leid in die Länge ziehen helfen. Ich brauche übrigens keine Belehrungen über die Folgen eines Krieges - meine Mutter hat die Bombennächte in Dresden erlebt. Vielen nassforschen Jungpolitikern geht diese Erfahrung ab. Es ist lächerlich zu glauben, Putin würde angesichts westlicher Reaktionen reumütig den Kopf senken und abziehen. Eher geht er den finalen Schritt - gestern sind nuklear bestückte U-Boote in die Barents-See ausgelaufen. Ein Ende des Krieges kann bestenfalls nur auf dem Verhandlungsweg und mit einem Kompromiss erfolgen - vielleicht durch externe Vermittlung, - auch wenn derzeit niemand aussprechen will, dass das auch für die Ukraine schmerzhafte Einschnitte erfordern wird. Diese mögen ungerechtfertigt sein, aber angesichts der militärischen Situation unumgänglich, will man unendliches Blutvergießen und totale Zerstörung so weit wie noch möglich vermeiden. Und natürlich muss der Westen für die Zukunft die Konsequenzen im Hinblick auf eine bessere Verteidigungsfähigkeit ziehen. Spätestens wenn Trump zurückkehrt, ist auf die USA kein Verlass (s. seine Rede in Orlando).
Es ist richtig, dass Putin den Westen zuletzt belogen und in die Irre geführt hat. Wenn aber Analysen (z.B. von v. Dohnanyi , G. Krone-Schmalz und anderen), die darauf verweisen, dass die Entwicklung seit Putins Bundestagsrede 2001 bis zum jetzigen desaströsen Ende auch durch westliche Fehler gefördert wurde, als Legitimation und Verharmlosung des Krieges umgedeutet werden, und die Betreffenden diskreditiert werden, sind wir nicht mehr weit von einer Einheitssichtweise nach östlichem Vorbild bzw. Meinungsterror entfernt. Putins ausgestreckte Hand 2001 war mit Sicherheit kein imperialistisches Täuschungsmanöver, zu den westlichen Positionen sollten Sie sich mal die Ausführungen von Wolfowitz, US- Vizepräsident Dick Cheney und Präsident Bush jr. aus 2008 zu Gemüte führen - also weit vor der Krim-Annexion. Selbstverständlich wurde und wird auch in den USA in Einflusssphären gedacht. Auch wenn bspw. die Aufgabe von Nordstream2 aus heutiger Sicht richtig war, waren jahrelange extraterrestrische Sanktiondrohungen der USA an D als einen "souveränen" befreundeten Staat der jüngste Beleg dafür. Nochmal: Das alles ist Schnee von gestern und die Retroperspektive bringt aktuell natürlich nichts beim Aggressionkrieg, hoffentlich aber für die Zukunft. Denn es wird so oder so eine Zeit nach dem Krieg geben, sofern nicht alles in der ultimativen Katastrophe endet. Man wird überlegen müssen, wie man sich gegenüber Russland dann positioniert, selbst wenn - wie zu befürchten - Putin noch an der Macht bleibt. Er hat, aus was für Gründen auch immer, zweifelsohne nichts mehr mit dem Präsidenten von 2001 und den Folgejahren gemein und uns alle desillusioniert. Es sollte aber zur Fähigkeit informierter, selbstkritischer Politiker und Bürger gehören, auch Gegenmeinungen und Argumente ohne Diffamierung zu überdenken und im Zweifelsfall Fehler und falsche Einschätzungen einzugestehen - da nehme ich mich natürlich nicht aus. Ihren Vergleich von Kritikern westlicher Politik bzw. Analysten mit einer Legitimation Hitlers sollten Sie sich aber sparen, das ist sehr nahe an einer Grenzüberschreitung.