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  • goedel

mehr als 1000 Beiträge seit 13.03.2004

Schön

kleindenker schrieb am 26. Dezember 2004 16:50

> In meinen Augen machen alle volkswirtschaftlichen Aggregate keinen
> Sinn.
> Deshalb ist mir das Wachstum sogar völlig schnurz.
...
> Was im Vh. zu einem Wachstum von 3% schon 25% weniger Wachstum
> bedeutet.

Wie jetzt? Schnurz oder nicht schnurz?
>
> > Es sind
> > eben nicht alle Menschen bereit, so etwas wie sozialen Ausgleich und
> > Hilfe für die Schwachen auf dem Altar des Wirtschaftswachstums zu
> > opfern.
>
> Wessen Geld wird denn da geopfert? Das derjenigen, die sich für
> sozialen
> Ausgleich ausprechen?

Ja, auch wenn Du's nicht glauben magst: Auch Linke, die sich für
sozialen Ausgleich aussprechen, sind überwiegend Steuerzahler. Ich
zähle mich z.B. (zur Zeit) zu den Gutverdienern und komme mit meinem
Einkommen wunderbar aus, kann nach Miete, Kleidung, Essen, Strom
sogar noch einiges zur Seite legen. Warum muss ich auf Kosten von
Bedürftigeren auch noch steuerlich entlastet werden? Ich  selbst
werde wohl einen Teil des zusätzlichen Geldes für gemeinnützige
Zwecke spenden, aber die meisten der echten Geldsäcke, die das
doppelte und dreifache meines Gehalts beziehen, tun das meiner
Erfahrung nach nicht. (Die haben ihre Vermögensverwalter, die alles
steueroptimiert in Immobilienfonds, Flugzeugbeteiligungen und
sonstwas verteilen.) Der soziale Ausgleich funktioniert nur über
Zwangsabgaben.

>
> > Der Wirtschaftsnobelpreisträger Amartya Sen und andere
> > Wirtschaftswissenschaftler haben übrigens herausgefunden, dass sehr
> > starke Ungleichheit in einer Gesellschaft für *alle* Bürger eine
> > reduzierte Lebensqualität bedeutet, auch für die am oberen Ende.
>
> Wie haben sie denn das gemacht? Hirnmasse seziert?

Auf ähnliche Weise, wie das Ifo-Institut seinen Geschäftsklimaindex
ermittelt, d.h. indem man die Betroffenen (hier also einen
repräsentativen Querschnitt der Bürger dieser Gesellschaften) zu
ihrer Zufriedenheit, ihren Zukunftssorgen, ihren
Entfaltungsmöglichkeiten, ihrer Einschätzung der
Gesundheitsversorgung, der Infrastruktur und ähnlichem befragt und
daraus einen Indikator ermittelt. Man sollte nie vergessen, dass die
Wirtschaftswissenschaften Gesellschaftswissenschaften sind und keine
Naturwissenschaften.

> > Daher sind die in der Volkswirtschaft betrachteten
> > Pareto-Verbesserungen (d.h. manchen geht es besser und niemandem
> > schlechter) auch nicht unbedingt Verbesserungen. Wenn z.B. der
> > Großgrundbesitzer sich noch eine Villa bauen kann, für seine
> > Tagelöhner aber nur jeweils ein Brotkrumen mehr abfällt, dann hast Du
> > zwar ingesamt Wachstum, die Ungleichheit ist aber gestiegen und damit
> > die Lebensqualität eher gesunken.
>
> Es gibt keine Verbesserung im gesellschaftlichen Saldo. Glück lässt
> sich nicht addieren.

Das sagst Du, ist aber eine philosophische Grundfrage. Meiner Meinung
nach sind zwei zufriedene Menschen besser als ein zufriedener und ein
unzufriedener Mensch. Wenn Du das anders sieht, brauchst Du Dir
natürlich über Politik gar keine Gedanken machen, sondern kannst Dich
ausschließlich um Dein eigenes Wohlergehen kümmern.

> Wirtschaftswachstum ist eine bedeutungslose und unsinnige Größe.
> Siehe mein erstes Posting.

Wenn Dich Wirtschaftswachstum nicht interessiert, sollte Dich aber
auch keine Regressionsanalyse zu Staatsquote und Wachstum
interessieren. Und nur darum ging es in Deinen Links.

> > Bei der Regressionsanlyse muss man zudem auch immer die Varianz
> > betrachten, d.h. die Stärke der Streuung der Einzelmessungen um die
> > Regressionsgerade. Die ist in der von Dir zitierten Studie absurd
> > hoch.
>
> Nö. Siehe zweiten Link.

Siehe oben. Außerdem muss etwas faul sein, wenn die von Dir
verlinkten Studien zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen. Sie
können dann nicht beide richtig sein. Tatsache ist, dass schon die
Größen Wirtschaftswachstum und Staatsquote sich nicht eindeutig
bestimmen und sauber messen lassen. Aber auch über dieses Problem
hinaus lässt sich in seriöser Weise kein statistisch relevanter
Zusammenhang zwischen Staatsquote und Wirtschaftsdynamik belegen.
(Außer vielleicht an den Grenzbereichen: 0% Staatsquote ist Anarchie
wie in Somalia, 100% Staatsquote ist Steinzeitkommunismus wie in
Nordkorea. Beides ist der Wirtschaftsentwicklung sicher nicht
förderlich.)

> > Dass spricht für eine eher geringe Korrelation zwischen
> > Staatsquote und Wachstumsdynamik.
>
> Das Hauptproblem hoher Staatsquoten ist eigentlich, dass nicht
> gewünschte Produkte hergestellt werden. Diese fallen in den
> Statistiken nicht auf, weil das Preissystem für diese Produkte nicht
> die Summe der Wertbeimessungen wiedergeben kann, sondern nur
> Tauschverhältnisse.

Wo hast Du denn den Quatsch her? So etwas kommt dabei heraus, wenn
man die Ideologie des Marktes zum alleinseligmachenden Mechanismus
zur Bestimmung von gesellschaftlichen Bedürfnissen erklärt. Welche
Produkte und Dienstleistungen der öffentliche Sektor anbieten soll,
wird natürlich *nicht* über Angebot und Nachfrage bestimmt, sondern
über den demokratischen Willensbildungsprozess. Das ist für diese
Produkte und Dienstleistungen in der Regel auch sinnvoll, denn
Ottonormalbürger würde niemals für sich selbst die Dienste einer
Polizeistreife oder eines Finanzbeamten nachfragen. (Deshalb erfüllen
sie trotzdem gesellschaftliche Bedürfnisse.) Auch der Bau und Betrieb
von Schulen, Krankenhäusern, Schienen und Autobahnen sollte nicht
ausschließlich dem "Preissystem" überlassen werden, da auch
Mittellose die Möglichkeit zur Teilhabe an Bildung,
Gesundheitsversorgung und Mobilität bekommen sollten. 

> Immer diese Einzelfallbeispiele. Damit macht man sich doch
> lächerlich!

Reale Einzelfallbeispiele genügen um verallgemeinernde Theorien zu
widerlegen und sind daher alles andere als lächerlich. Das Beispiel
Schweden widerlegt die Theorie, wonach eine hohe Staatsquote immer
die Wirtschaftsdynamik lähmt. Wenn jemand seine Theorie über die
Realität stellt, gibt er sich damit als Ideologe zu erkennen.

> "Die geschätzten Wachstumsregressionen ergeben dabei mit
> überraschender Deutlichkeit, dass das Wachstum der Staatsquote eine
> wichtige negative und die grössere Offenheit eine wichtige positive
> Rolle spielten."

Siehe oben. Diese Studie sagt etwas anderes als die erste von Dir
verlinkte Studie. Da man ja aber Deiner Ansicht nach sowieso jede
Aussage wissenschaftlich belegen kann, braucht man auf solche Studien
ja sowieso nichts zu geben.

> Und jetzt? Die Etatisten gehen mir auf den Nerv. Ich will den Mist
> nicht, den sie Sozialisten herstellen. Ich habe lange genug in Moskau
> gelebt, um das beurteilen zu können. Außerdem will ich Ruhe haben.
> Ich brauche keine staatsvergötternden Heilsbotschaften.

Naja, in Moskau hat das "Preissystem" des Marktes ja nach dem Ende
des Sozialismus zu ganz tollen Ergebnissen geführt. Allen Reichtum
ein paar Oligarchen und dem Rest bitterste Armut. Bildung und
Gesundheit in den Keller. Wenn es ein Beispiel dafür gibt, wie wenig
das "Preissystem" des Marktes ohne die Ordnungsfunktion des Staates
funktioniert, dann wohl das Ende der Sowjetunion.
Außerdem geht es hier gar nicht um "staatsvergötternde
Heilsbotschaften" (die soziale Marktwirtschaft hat nun wirklich
nichts mit Staatsvergötterung zu tun), sondern um die
*marktvergötternden* Heilsbotschaften derjenigen, die unserem
Sozialstaat das Wasser abgraben wollen. Und der lässt Dich bei weitem
mehr in Ruhe, als es die Privatsöldner in staatsfreien Gebieten wie
zum Beispiel Somalia täten.

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