Zunächst und nebenbei sei vermerkt, daß Kühnert sich erheblich von Schröder & Co. tatsächlich darin unterscheidet, seine Rolle durchaus bewußt gegen die Linie der SPD zu stellen, im Gegensatz zu seinen Vorgängern, die das als Mittel zum Zweck ihrer Selbsterhöhung in rein egoistischer Zielstellung bzw. aus banaler Dummheit mit anschließendem Rückzug auf vorgegebene Politikprämissen in vollendeter Feigheit ausführten. Was mit Kühnert passiert, ob er standhält oder bis zu Kongruenz laviert, steht in den Sternen. Wobei sein Tiefgang nicht allzu groß ist, bestenfalls will er die SPD auf das Niveau vor dem Godesberger Programm zurück bringen.
Bisher hat es der Autor vermieden, sein Bild von einer nicht-kapitalistischen Gesellschaft offen zu legen, hier macht er es schon bis zu einem gewissen Grade.
„Kollektivierung zielt somit in erster Linie nicht auf die "Entmachtung" einer herrschenden Klasse, sondern auf die Erlangung der Kontrolle der Gesellschaft über ihre sozioökonomische Reproduktion, die im Kapitalismus eben nicht gegeben ist, da die Gesellschaft derzeit nur ein Durchgangsstadium der verselbstständigten, die Welt verheerenden Kapitaldynamik ist. Dies wäre der Ausgang der Menschheit aus ihrer fetischistischen Vorgeschichte. Die bewusste Gestaltung ihres Reproduktionsprozesses durch alle Gesellschaftsmitglieder, die hierzu geneigt wären, bildet die conditio sin qua non des menschlichen Zivilisationsprozesses.“
Damit ist er zunächst unzweifelhaft bei Marx:
Der Mensch ist im Kapitalismus unter das Kapital gezwungen, also nicht frei. Erst durch die bewußte Gestaltung der gesellschaftlichen Reproduktion ist Zivilisation möglich. Kollektivierung allein ist nicht d e r Weg dorthin, da sie sich innerhalb der Grenzen des Kapitalismus vollziehen würde und deshalb die Grundwidersprüche zwischen Kapital und Arbeit nicht lösen könnte. Andeutungen zu dem von ihm gedachten Weg daraus unterläßt er dann.
Damit qualifiziert er die Verstaatlichungsthese a la Kühnert, soweit überhaupt ernst gemeint, nach außerhalb sozialistischer Vorstellungen als durchaus mit den bürgerlichen Machtverhältnissen kompatibel, siehe auch Art. 14 GG. Wobei es rätselhaft bleibt, wie „ Erlangung der Kontrolle der Gesellschaft über ihre sozioökonomische Reproduktion“ unter weiterhin bestehenden kapitalistischen Produktionsverhältnissen zu etwas anderem als bestenfalls der Selbstausbeutung der kollektiven Gestalter führen kann, das jugoslawische Selbstverwaltungsmodell lief auch gegen die Wand des Kapitals. Ist unter diesen Verhältnissen überhaupt eine bewußte Gestaltung möglich oder erzwingt nicht auch dann das Kapital, was zu tun ist? Es fragt sich, wie der Autor diese Kapitalherrschaft beseitigen will.
Einige Gedanken dahin gehend gibt er doch preis, etwas:
„Kollektivierung muss als Mittel zum Zweck der Emanzipation der Gesellschaft begriffen werden. Emanzipation von eben dem fetischistischen Zwang, aus Geld mehr Geld zu machen, dem derzeit die gesamte Gesellschaft unterworfen ist.“
„...muss die postkapitalistische Gesellschaft dazu übergehen, ihre materielle Reproduktion bewusst zu gestalten. Dies nicht in Form eines diktatorisch oktroyierten, zentralen Planes, sondern in Form eines gesamtgesellschaftlichen Verständigungsprozesses, eines egalitären Diskurses, der - nicht frei von Konflikten - den Inhalt und die Form der bewussten gesellschaftlichen Reproduktion regelt. Dies gerade eben deswegen, weil der mühselig scheinende, mit Auseinandersetzungen einhergehende Diskurs letztendlich effektiver ist als der zentralistisch oktroyierte Plan.“
Zwar erwähnt er die „Verwertung des Werts“als Übel, jedoch mehr als Ergebnis des Kapitalwirkens, nicht den Wert als eigentliches Verhältnis, das die weiteren Übel hervorbringt und das für eine nicht-oder post-kapitalistischen Produktionsweise aufzuheben ist. Auf welchem Weg das angegangen werden muß, haben Heinrich Harbach und Werner Richter dargebracht:
ttps://hwww.heise.de/tp/features/Die-Wertform-Das-Fundament-der-kapitalistischen-Produktionsweise-4237120.html
https://www.heise.de/tp/features/Wertgesetz-und-warenlose-Gesellschaft-4328275.html
https://www.heise.de/tp/features/Nichtwarenproduktion-in-der-Gegenwart-4351813.html
https://www.heise.de/tp/features/Das-Manko-der-marxistischen-Theorie-4412292.html
Es gibt nur den Weg einer völlig neuen Produktionsweise, die autonom neben der bestehenden aus den Zwängen der Produktivkraftentwicklung aufgebaut werden muß. Nur so, durch die Aufhebung des Wertes in Produktion und damit auch Gesellschaft, ist auch die Aufhebung von Kapital, Ware, Geld etc. möglich und nicht umgekehrt. Das ist die Aussage von Marx, die Rolf Hecker, Ingo Stützle mit der Herausgabe von Das Kapital 1.1-1.5 und Dieter Wolf heraus gearbeitet haben:
https://www.degruyter.com/view/j/zksp.2017.4.issue-1-2/zksp-2017-0010/zksp-2017-0010.xml
Wie das geschehen kann und muß, wäre ein “weites Feld”, zu dem schon die Führungsfurchen gezogen sind, siehe obige Links. Inwieweit und wann dann bestehende Produktionseinrichtungen, die unter Kapitalbedingungen schon vorhanden sind, in diesen Wandlungsprozeß einfließen, ist noch nicht absehbar, da die von dort kommenden Produkte rein gewinnorientiert überhaupt erst entwickelt und gebaut wurden und nicht unbedingt den menschlichen Grundbedürfnissen entsprechen, eher dem künstlichen Bedarf aus Marketing. Dazu haben sich vor allem Christian Siefkes in “Beitragen statt tauschen” und Stefan Meretz mit “Kapitalismus aufheben”
https://keimform.de/2018/kapitalismus-aufheben-bonuskapitel/
Gedanken gemacht.
Der Autor läßt uns wohlweislich über seine Ansichten dazu im Dunkeln. Aber aus seinem bisherigen Bekenntnis zu Robert Kurz in anderen Artikeln kann geschlußfolgert werden, daß er den Wert wie dieser solange zu kritisieren gedenkt, bis sich dieser schmollend zurückzieht. Diese Tendenz ist mit den aktuellen Darlegungen durchaus kompatibel. Deshalb wohl nennt er sich auch Wertkritiker.
Das Posting wurde vom Benutzer editiert (10.05.2019 18:13).