Ansicht umschalten
Avatar von daraos22
  • daraos22

mehr als 1000 Beiträge seit 04.10.2018

Analyse

Demokratie kann man nicht herbeibomben

Das ist wohl richtig, und die Frage stellt sich bei Venezuela, weil dort keine Demokratie herrscht.

Es ist also auch ein typischer Kampf Regierung gegen Opposition.

Wenn es ein typischer Kampf zwischen einer Regierung und der Opposition wäre, gäbe es gar kein Problem. Was passiert, ist gerade nicht typisch für Demokratien.

Der dahinterstehende Kampf zwischen Arbeiterschaft und Gewerkschaft auf der einen und Besitzbürgertum auf der anderen wird noch vom Stadt-Land-Gegensatz verschärft, wobei hinter dem Verteilungsproblem nicht selten postkoloniale Besitzstrukturen hervortreten.

Laut einer Umfrage (nach Bekanntgabe der Interimspräsidentschaft Guaidós) sind 63% der Venezolaner für eine friedliche Absetzung Maduros.

When respondents were asked about “a negotiated settlement to remove President Maduro from power,” 63 percent said they would support it.

http://theconversation.com/venezuelans-reject-maduro-presidency-but-most-would-oppose-foreign-military-operation-to-oust-him-109135

Es geht definitiv mal wieder nicht um Bourgeoisie vs. Arbeiterschaft hier. Es sei denn, jemand glaubt, dass 63% der Venezolaner zur "Bourgeoisie" gehören. Das ist wie so oft ein ideologisch programmierter Rahmen der Betrachtung, der mit der Realität nichts zu tun hat. Hinzu kommt, dass 10% der Venezolaner wegen des Sozialismus das Land verlassen haben. Die gehörten ja dann wohl auch zur "Bourgeoisie". Wieviele Besitzbürger soll es denn geben in dem Land? Scheint die große Mehrheit zu sein. Eine Analyse nach Marx ist hier das falsche Werkzeug.

Der Konflikt zwischen linker Regierung und rechter Opposition existierte schon unter Maduros Vorgänger Hugo Chavez.

Was ist mit der Mitte? Gab und gibt es keine Menschen in Venezuela, die der politischen Mitte zuzuordnen sind? Das gesamte Parlament ist rechts, alles Neoliberale?

Mitnichten:

The ever-more apparent divisions in the opposition are not primarily ideological. Though opposition forces range from the far left to the conservative right, their differences over strategy cut across these categories. Three of the four original members of the steering group of the Democratic Unity (MUD) opposition alliance, the so-called G4, belong to the Socialist International, for example, but that common affinity has not prevented the alliance’s break-up.

https://www.crisisgroup.org/latin-america-caribbean/andes/venezuela/71-friendly-fire-venezuelas-opposition-turmoil (sehr lesenswert, eine der wenigen neutralen Analysen)

Guaidós Partei, Voluntad Popular, ist Mitglied der Vereinigung Sozialistische Internationale.

Damals funktionierte die auf dem Verkauf von Erdöl basierende Sozialpolitik noch, weshalb Chavez auch eine breitere Zustimmung in der Bevölkerung fand als Nicolás Maduro.

Die "Sozialpolitik" bestand hauptsächlich darin, Geld an Bedürftige zu verteilen. Wenn wir als Privatpersonen Geld an Bedürftige spenden, machen wir damit keine Sozialpolitik. (https://thenextsystem.org/learn/stories/social-programs-venezuela-under-chavista-governments)

Nein, die Sozialpolitik hatte schon damals unter Chavez nicht funktioniert. Es reicht nicht, Armen Geld zu geben.

Denn so, wie es die Aufgabe einer Regierung ist, Ressourcen zu verwalten und Entwicklung zu ermöglichen, ist es gleichzeitig die Aufgabe der Opposition, diese Regierungsarbeit kritisch zu begleiten.

Das hängt von der Art der Ressourcen ab. Es ist jedenfalls nicht die Aufgabe einer Regierung, Nahrung und Geld an das Volk zu verteilen.

Nachdem die linke venezolanische Regierung aber Staaten wie Russland und China den USA teilweise als Wirtschaftspartner vorgezogen hat - Russland liefert z. B. rund drei Viertel aller Rüstungsgüter -, haben die größten westlichen Wirtschaftsmächte darauf mit Sanktionen reagiert.

Das ist nicht die Wahrheit. Venezuela hat weiterhin hauptsächlich mit den USA Handel getrieben in den letzten 20 Jahren. 42% des venezolanischen Exportvolumens geht auf die Kappe der USA, an nächster Stelle kommt China mit 23% und dann Indien mit 19%.

38% des venezolanischen Importvolumens kommt aus den USA, 18% aus China. Danach kommen südamerikanische Staaten.

https://atlas.media.mit.edu/en/profile/country/ven/

Die Sanktionen haben rein politische Gründe.

Der Autor bemüht sich sichtlich, ein breites Spektrum darzustellen und Pro und Contra beider Seiten aufzuzeigen. Ich schließe mich auch seinem Fazit an. Ich denke allerdings, dass seine vereinfachte Analyse des politischen Spektrums in Venezuela und der Entwicklung seit der Wahl von Chavez falsch ist.

Es ist aber der beste Artikel zu dem Thema, der hier bei telepolis bisher erschienen ist.

Bewerten
- +
Ansicht umschalten