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  • Pnyx (1)

mehr als 1000 Beiträge seit 01.07.2017

Anmerkungen

Ein interessanter Text. Ein paar Anmerkungen:

Obwohl dieses nur durch die Kriegsniederlage NS-Deutschlands möglich war, wäre es verkehrt, das Grundgesetz als westalliiertes Oktroi oder Geschenk (je nach Blickwinkel) aufzufassen.

Vielleicht trifft das zu, jedenfalls ist es wichtig, den westalliierten Einfluss zu thematisieren, was im historischen Aufwasch anderer Autoren oft nicht der Fall ist.

Die großen Demonstrationen gegen Rechtsaußen in letzter Zeit sind ein ermutigendes Zeichen.

Da bin ich anderer Ansicht. Diese Demonstrationen haben sich nahtlos in die Anti-AFD-(Wahl-)Kampagne eingefügt und hatten keinen positiven Inhalt über eher schwurblige Demokratie-Beschwörungen hinaus. Die Präsenz hochbeamteter Politiker bei diversen Demos hat das nur allzu deutlich verraten.

Richtig weist Brandt darauf hin, dass der weitherum geäusserten allgemeinen Unzufriedenheit nicht bloss abwehrend, also durch vom Wunsch nach Machterhalt getriebener Abwehr hartrechter politischer Formationen, begegnet werden sollte, da es ja eben diese sich an der Macht befindlichen Parteien sind, die den aktuellen Zustand des bundesrepublikanischen Dinge zu verantworten haben.

Dazu [zur Unzufriedenheit] trägt zweifellos auch das immer noch erhebliche Demokratiedefizit der EU-Institutionen in ihrer Abgrenzung zu denen der Nationalstaaten bei. Das ließe sich bei entsprechendem politischen Willen ändern.

Es liesse sich ändern, vorausgesetzt, dass nicht das Kapital in Form übermächtiger Konzerne via Lobbyarbeit die wesentlichen Aspekte blockierte, ja weiterhin und stetig seine Macht erweiterte. Da findet sich dann auch das Defizit in Brandts Ausführungen, der an keiner Stelle diese Kapitalmacht erwähnt, oder auch schon nur die Tatsache, dass die bürgerliche Demokratie an den Eingängen der ökonomischen Akteure freundlich aber bestimmt abgewiesen wird.

Daher ist es ein frommer Wunsch, wenn er behauptet:

Der Rest liegt bei uns, dem Volk der Demokratie, dem Demos.

Die Bevölkerung als Ganze bleibt im herrschenden System weitgehend machtlos, auch diejenigen seiner Exponenten, die wirklich politisch interessiert sind und sich im Rahmen des Möglichen zivildemokratisch betätigen. Die von Brandt selbst konstatierte soziale und ökonomische Polarisierung ist nicht auf Wunsch dieser engagierten Menschen in den letzten, neoliberalen Jahrzehnten gewachsen, sondern ihrem Engagement zum Trotz.

Und so stellt sich immer wieder heraus, das Manches, was allgemein in Verfassungen, speziell im deutschen Grundgesetz - das übrigens ursprünglich als Provisorium gedacht war, was im Zusammenhang mit dem Themenkomplex Abwicklung der DDR, stets auch betont werden sollte - an angeblich unveräusserlichen Rechten aufgeführt wird, in der Praxis eher eine Wunschliste ist. Zuvorderst ist die unantastbare Würde ein blosses Desiderat, wenn man, um nur einen einzelnen Aspekt zu nennen, z. B. an die Schwierigkeiten eines beträchtlichen Teils der Bevölkerung denkt, bezahlbaren Wohnraum zu finden.

Das Posting wurde vom Benutzer editiert (22.06.2024 19:00).

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