wasgesagtwerdensollte schrieb am 06.02.2024 19:49:
Wirtschafsttheorien sind Theorien, erst die Wirtschaftspolitik macht daraus Praxis. Du hälst nichts von den Theorien, meinst aber, dass Kapitalismus auch anders und besser funktionieren könne.
Ich halte nichts von falschen Theorien. "Falsch" in dem Sinne, als dass sie, wenn sie für ökonomische Leitbilder genommen werden (und irgendein Leitbild braucht man ja - wie will man sonst Wirtschafts- und Sozialpolitik machen?), Gesellschaften spalten und destabilisieren und darüberhinaus die Wirtschaft insgesamt schwächen. Rund läuft der Kapitalismus eben nicht, wenn man Arbeitslose drangsaliert und in die Armut treibt, Gewerkschaften schwächt und Lohndumping zulässt. Steigen die Löhne nicht mit der Produktivität, dann fehlt Nachfrage, die die Investitionen entsprechend unrentabler machen. Es wird weniger investiert, das Wachstum fällt geringer aus. Schlimmer noch: Geld wird dann zunehmend in reine Geldgeschäfte gesteckt, und die schaffen überhaupt keine Werte, sie stellen bloß einen perversen Kreisverkehr dar - am Ende ist das bloß Schmarotzertum an der Realwirtschaft. So. Die Frage lautet: Muss das sein? Die Antwort: Nein!
Und vor allem nicht notwendigerweise Armut erzeugt. den Beweis bleibst du aber schuldig.
Ich bin in den 70ern und 80ern aufgewachsen, und ich kann dir versichern: Auch damals schon gab es Wachstum, immer wieder neue technische Innovationen und daraus resultierende "Must Have"-Produkte, "Konsumrausch" und "Konsumterror", also: Kapitalismus wie aus dem Bilderbuch. Sozial Schwache gab es auch - aber keine Flaschensammler. Eine Armut, wie sie in Deutschland ca. ab der Jahrtausendwende wieder zu beobachten war, hatte es seit dem Krieg nicht mehr gegeben. Aus ärmeren Ländern kannte man sowas vielleicht. Auch die Medien griffen das auf und prägten den Begriff "Die neue Armut". Am System selbst hatte sich aber nichts geändert, es war nach wie vor Kapitalismus. Das Gleiche mit Löhnen und Arbeitsbedingungen. Früher hatte es noch sowas wie eine Arbeitskultur gegeben, "Bullshit-Jobs" und Dauerstress auf der Arbeit waren allenfalls Randphänomene gewesen. Die Löhne stiegen i.d.R. mit der Produktivität, was der Wirtschaft guttat, aber auch Leuten ohne höheren Bildungsabschluss ein gutes Leben ermöglichte. Man besaß so ziemlich alle Konsumgüter, die das Leben einfacher und angenehm machen, ein Auto auch, und einmal im Jahr ging's in den wohlverdienten Urlaub. Das ist heute anders. Aber: Am Wirtschaftssystem selbst hat sich nichts geändert. Es war damals Kapitalismus und heute auch. Also, was schließen wir daraus?