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Avatar von Stephan Geue
  • Stephan Geue

mehr als 1000 Beiträge seit 07.08.2011

Re: immer wieder diese alte These...

Nicht Werkzeuge und Maschinen mit Produktionsmittel gleichsetzen.

Ich weiß: Diese Klärungen sind ein bisschen mühsam, weil ich mich nicht nach den Begrifflichkeiten von Karl Marx richte. Aber es gibt genügend andere Leute, die das auch nicht tun; er hatte ja zu keinem Zeitpunkt die Definitionshoheit darüber, was Produktionsmittel und Kapital sind. Und klar: Für jene, die sie anerkennen, ist das natürlich eine Quelle der Missverständnisse.

Aber ich habe eben mal - um mich nicht zu sehr zu isolieren - die Wikipedia konsultiert:

https://de.wikipedia.org/wiki/Produktionsmittel

Und da steht gleich ganz oben folgendes:

Produktionsmittel sind in der Wirtschaftswissenschaft diejenigen Arbeits- und Betriebsmittel, die zur Produktion von ökonomischen Gütern erforderlich sind.

Ich will jetzt niemandem mit den sowjetischen Symbolen Hammer und Sichel kommen, auch nicht mit dem DDR-Zirkel, der die Anerkennung der Akademiker als Teil der Werktätigen symbolisieren sollte. Und mir ist auch klar, dass das, was ich in meiner Hobby-Werkstatt stehen, liegen und hängen habe, nicht der "Produktion von ökonomischen Gütern" dient, sondern dem Lösen von Problemen und dem Schaffen gebrauchsnützlicher Dinge, die zumindest vorrangig nicht in den Verkauf gehen.

Aber wenn ich mit einer gewissen Schlichtheit an diesen Wikipedia-Leitsatz herangehe, kommen schon Werkzeuge und Maschinen heraus.

Dabei ist mir klar - jahrelangem ML-Unterricht sei "Dank" -, dass Marx auch Grund und Boden zu den Produktionsmitteln zählte. Der Bauer wird mir beipflichten: Ohne Boden wächst nix.

Was aber ebenso klar ist: Geld und Patente braucht man zum Schaffen von Werten nicht direkt. Patente sind sogar eher hinderlich *, Geld dient der Anschaffung von Maschinen, der Bezahlung von Leuten, aber wenn ich die Maschinen schon habe, und wenn die Leute - rein theoretisch mal angenommen - ehrenamtlich für die Sache tätig werden, dann lassen sich Werte auch ohne Geld schaffen. Schließlich ist das vor der Erfindung des Geldes ja auch gegangen, wenngleich natürlich auf ganz anderem Niveau, was Arbeitsteilung, Produktivität, Masse, Produktions- und Produktkomplexität u.a. angeht.

* Bin ich der Patentinhaber, hindern sie mich nicht, nützen mir allerdings auch nur insofern, als es mir niemand, der keine Lizenzrechte erworben hat, einfach nachmachen darf. Das macht mir die Produktion nicht einfacher, aber das Leben, weil es lästige Konkurrenz fern hält. Sind andere die Patentinhaber, können mich Patente daran hindern, ein technologisches Verfahren anzuwenden, eine Produkteigenschaft zu erzeugen o.a. Patente erzeugen keine Rechte, sondern beschränken sie. Beziehungsweise sie verbriefen den Anspruch auf Unterstützung durch Exekutive und Judikative bei der Durchsetzung solcher Beschränkungen.

Damit komme ich zum nächsten "Kampfbegriff", dem Mehrwert. Ehrlich gesagt haben sich dabei Fragezeichen in meinem Kopf aufgetan, seit ich das zum ersten Mal gehört habe. War es schon im Staatsbürgerkundeunterricht oder erst während der universitären Rotlichtbestrahlung? Egal. Mehrwert: Ich investiere Zeit, Energie, Expertise und Material - all das muss bezahlt werden -, und heraus kommt etwas, das wundersamerweise mehr wert ist als die Summe der Zutaten. Ich formuliere es jetzt mal provokant: Ich investiere Geld, um eine nagelneue Immobilie zu erwerben - sagen wir: beste Münchner Lage im Jahre 2019 -, und dann lasse ich drei Jahre verstreichen. Nix weiter - keine Energie, keine Expertise, kein Material. Eigentlich auch keine Zeit, denn ich trödele während der drei Jahre nicht herum, sondern beschäftige mich mit irgendwas ganz anderem. Und schwups, habe ich einen Mehrwert. Ohne jedes Produktionsmittel und ohne Arbeit. Ich kann die Hütte als neu verkaufen, weil sie die ganze Zeit leer stand, und mir bleiben nach den drei Jahren... - hm, 30 Prozent mindestens, wetten? Also habe entweder ich den Begriff "Mehrwert" falsch verstanden oder sonst irgendjemand.

Meine Deutung ist: Ich habe mit Kapital (Geld) eine andere Form von Kapital (Grund und Boden mit einer Immobilie darauf) erworben, und jetzt tue ich mit diesem Kapital, was man als echter Kapitalist mit Kapital macht: Man lässt andere für sich arbeiten - vermittels des Kapitals. Denn irgendjemand muss ja das Geld erwirtschaftet haben, das mir nach den drei Jahren beim Verkauf gezahlt wird. Und wieso geht das mit einer Münchner Immobilie und nicht mit einem chinesischen Sack Reis? Weil die Menge von Geld beschränkt ist, und zwar von Gesetzes wegen - ja, Leute, wenn ihr euch in Giralgeldschöpfung auskennt, werdet ihr mir mit flinker Zunge widersprechen, aber das diskutieren wir gerne in einem anderen Beitrag -, und weil die Fläche von Münchner Top-Lagen ebenfalls beschränkt ist, und zwar von Natur aus, und das ist mit chinesischem Reis etwas anders. Oder mit einem Hammer. Oder einer Drehmaschine.

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