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  • Stephan Geue

mehr als 1000 Beiträge seit 07.08.2011

Missverständnis

Mir geht es nicht darum, Marx zu verstehen oder zu reproduzieren, sondern darum zu verstehen, was an unserer Wirtschaftsweise faul ist und wie es wirksam behoben werden kann.

Ich bin in der DDR aufgewachsen und habe miterlebt, wie sie untergegangen ist. Darüber, wie das passieren konnte, gibt es vermutlich zahlreiche Erzählungen. Eine dieser Erzählungen handelt von einem Röhrengeschäft, finanziert durch einen Kredit, den Franz-Josef-Strauß seinerzeit eingefädelt hatte. Als es ab Mitte der 80er Jahre um dessen Rückzahlung ging, so die Geschichte, musste die DDR alles verscherbeln, was irgend ging, und das hat schließlich das ohnehin schon nicht sehr üppige Angebot im Einzelhandel derart verknappt, dass auch noch die letzten Getreuen von der Fahne gingen.

Nun wurde Marx in der DDR ja alle Ehre zuteil, jedenfalls dem späten Marx. Und jeder Genosse, der was auf sich hielt, so heißt es (und in einigen Fällen habe ich es selbst gesehen), hatte die drei Bände von "Das Kapital" im Bücherschrank stehen. Man könnte also meinen, die hätten nun wirklich wissen müssen, was es mit dem Kapital auf sich hat und wo die Gefahren lauern. Sich also zum Beispiel in einer fremden Währung verschulden - das weiß man heute aus vielfältiger Erfahrung, wenn man es denn wissen will, auch ohne Marx - geht gar nicht, solange man den Wechselkurs nicht einigermaßen unter Kontrolle hat. Und viele Opfer des IWF und der Weltbank hatten ihn nicht unter Kontrolle. Und mit der DDR war es ebenso, wenn man von einer Konvertibilität der DDR-Währung überhaupt sprechen will.

Was war nun schuld? Die der Werke Marx' am Ende doch nicht so kundigen Genossen oder möglicherweise der Umstand, dass Marx mindestens eine entscheidende Facette des Kapitals nicht so umfassend beschrieben hatte? Ich will das nicht beurteilen, aber seit über 125 Jahren hat nun die Möglichkeit bestanden, auf der Grundlage von Marx den Sozialismus aufzubauen, es also auszuprobieren, und es ist jedes Mal irgendwas schief gegangen. (Natürlich hat es nicht so viele Experimente gegeben, die voneinander unabhängig gewesen wären, und soweit ich weiß, hat Marx auch kein Kochrezept geschrieben, wie man es machen müsse, außer dass die Proletarier sich vereinigen müssten; so wirklich voluminös war das Kommunistische Manifest dann ja doch nicht. Aber "Das Kapital" scheint mir doch eher eine Kritik daran gewesen, wie man es nicht machen soll.)

Um auf eine der Fragen noch einzugehen:

Kannst du mit einem Computer und deiner Arbeitskraft ein konkurrenzfähiges Produkt erstellen? Oder braucht es nicht doch reichlich Kapital, um im Markt zu bestehen?

Ich wohl nicht. Aber dir dürfte doch bekannt sein, wie viele erfolgreiche Produkte in US-Garagen entstanden sind. Natürlich haben die später an den Börsen viel Geld eingesammelt, aber die initialen Finanzvolumina waren einigermaßen lächerlich, vor allem verglichen mit wenige Jahre später erzielten Verkaufssummen. Ich nenne als Beispiel nur mal WhatsApp.

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