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  • Ignatius

mehr als 1000 Beiträge seit 25.06.2001

Dualismus und Quantenmechanik

Warum unsere Existenz als erlebnisfähige Subjekte den Materialisten solche Schwierigkeiten macht, obwohl jedem sein höchstpersönlicher Beweis aus den Augen schaut und dieser mittels einer Kerzenflamme oder einer Stecknadel jederzeit noch eindrucksvoller (im wörtlichen Sinne!) gestaltet werden kann, hat natürlich ideologische Gründe. Wer sich in den einschlägigen Kreise als Dualist outet, dem gehts wie einem Promi der sagt, dass er AfD wählt - er wird zur Unperson. Materialismus ist einfach politisch korrekt.

Das lustige daran ist, dass ausgerechnet die naturwissenschaftlichste aller Wissenschaften, nämlich die Physik, seit bald 100 Jahren ein Problem mit sich herumschleppt, das sehr ähnlich strukuriert ist, nämlich die Rolle des Beobachters in der Quantenmechanik. Kurz gesagt geht dabei um die Frage, warum sich ein Quantenzustand, solang keiner hinschaut, brav deterministisch und reversibel (unitär) entwickelt, so wie man das im 19. Jh. (Sichwort "Welt als Uhrwerk") gewohnt war, aber auf einmal kolabiert, wenn man versucht in zu messen (wobei die Möglichkeiten immer Eigenfunktionen der als hermitischen Operator modellierten Observable sind [projektive Messung]). Vereinfacht gesagt: Der Baum im Wald fällt wirklich erst um (oder bleibt stehen) wenn einer hinschaut - und die Katze ist tot und lebendig, solang der Kasten zu ist.

Mathematisch ist die Beschreibung klar. Man weiß zwar nicht, was genau ein Beobachter bzw. eine Messung sind, aber man hat den Formalismus soweit im Griff, dass man damit rechnen und sogar technologisch arbeiten kann. Für ersteres sind dann die verschiedenen (metaphysikalischen) Interpretationen zuständig, über die sich trefflich streiten lässt, weil i.a. keine Experimente gibt um zwischen ihnen zu unterscheiden. Die Mathematik und auch die Prognosefähigkeit ist bei allen identisch.

Was auch bei allen gleich ist, ist der Kollaps der Wellenfunktion auch wenn dem in manchen Theorien das Adjektiv "scheinbar" vorangestellt wird (z.B. bei "many world"), was dem beobachteten Kollaps und dem von Ihm induzierten Zufall keinen Abbruch tut.

Kollaps, Beobachter und Messung in der QM entsprechen in der Philosophie des Geistes das Erleben, das erlebnisfähigem Subjekt und das Erlebte (Qualia). Das hat, streng naturwissenschaftlich, natürlich nichts zu sagen. Sinneserlebnisse wie Schmerz, Farbeindrücke, etc. sind per definitionem subjetiv und damit außerhalb der (strikt intersubjektiven) Methodik der Naturwissenschaft. Es ist dennoch bemerkenswert, dass die Grenzen der jeweiligen Bereiche gerade derart "ausgefranst" sind, dass sie auffallend gut zusammenpassen.

In der Tat war eine der ersten Deutungen der QM die von Neumann–Wigner Interpretation,

https://en.wikipedia.org/wiki/Von_Neumann-Wigner_interpretation

mit der Grundthese "consciousness causes collapse". Damit löst man beide Probleme auf einen Streich. Sie ist, als dualistische Theorie, natürlich nicht politisch korrekt, aber ansonsten von hoher Erklärungskraft, Plausibilität und Eleganz. Und sie braucht keine aus dem Hut gezauberten Mulitiversen o.ä.

Plausibilität ist natürlich relativ. Ja, unsere Existenz als erlebnisfähiges Subjekt ist absurd. Sie ist naturwissenschaftlich nicht haltbar und ein Fall für Ockham's Razor. Aber was hilft's. Sie ist numal da und uns als einzige Erkenntnis direkt und unmittelbar zugänglich, während die Natur nur mittelbar und höchst indirekt von uns erschlossen werden kann (und auch dafür bilden unsere Sinneseindrücke die Basis). Also sollten wir uns Gedanken drüber machen, wie wir das erklären können.

Natürlich kann man das Problem weiter leugnen, es quasi mit einem Bannfluch belegen und jeden ächten, der es wagt, darüber zu mutmaßen. Aber damit wird die Frage nicht verschwinden. Man überlässt das Feld nur des Esoterikern die weder mit Natur- noch Geisteswissenschaft irgendwas am Hut haben.

ignatius

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