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2 Beiträge seit 28.07.2009

gestalten oder sabotieren?

Leistungsmaßstäbe kommen nicht von ungefähr und man kann sie auch
nicht erzwingen. Doch genau das ist meines Erachtens doch ein
wesentliches Interesse hinter Bologna, es soll einen gewachsenen
pluralistischen System ein ganz bestimmter eingeengter
Leistungsbegriff aufgezwungen werden und alles soll nur noch auf
diesen aufoktroyierten Wertmaßstab zustreben. Wie diese "Werte" dann
in der Praxis umgesetzt werden kann jeder Student aus leidvoller
Erfahrung berichten. Da gibt es für jedes noch so nebensächliche Fach
einzelne Prüfungen, dazu noch Seminararbeiten und ähnliches, zusammen
mit den Präsenzstudium (Anwesenheitspflicht ...) und einer
angemessenen Vor- und Nachbereitung ist man wohl in kaum einen
Studiengang mit einer 40-Stunden-Woche dabei. Die Dozenten "wehren"
sich gegen vermehrten Zwang zur Leistungsüberprüfung auf ihre Art und
investieren in die Vorbeitung und Betreuung von Prüfungen und
Seminararbeiten nicht mal die eigentlich minimal notwendige Energie,
was sich dann auf die Qualität entsprechen negativ Niederschlägt. Die
Studenten haben dann natürlich auch nur wenig Motivation ernsthaft zu
arbeiten wenn die Dozenten arbeitsminimierendes Verhalten vor leben
und eigene Initative noch als lästig bestrafen. Aus eigener Erfahrung
weiß ich ziemlich genau was zu einer höheren Qualität führt, kleine
Gruppen (teuer), und gut vorbereiteter Lehrstoff (anstrengend).
Bologna führt aber nur zu einer Verdichtung von Prüfungsleistungen
denn schließlich muss jeder einzelne Credit nachvollziehbar erbracht
werden. Das so etwas entweder zu mehr Abbrechern oder zu geringeren
Leistungsanforderungen führt ist klar. Es ist in meinen Augen ein
ganz zentraler Punkt hinter Bologna das eine Güterabwägung zwischen
wirtschaftlichen Interessen (schnell, nicht überqualifiziert, in
großen Mengen und standardisiert) und eher idealistischen Interessen
(Vielfalt, bestmöglichste Qualität, freie Entfaltung der Individuen,
Freiheit von Forschung und Lehre) durchgeführt wird und das Ergebnis
ist sicher nicht zugunsten einer höchstmöglichen Qualität
ausgefallen. Ich kann also nicht so recht nachvollziehen warum sich
der ganze akademische Apparat jetzt vor den Bolognakarren spannen
lassen und diese Reform "positiv gestalten" soll, wenn sie sich doch
im Kern gegen all die diffusen Ideale richtet mit denen sich
Akademiker identifizieren und außerdem noch jede Menge Arbeit und
auch Ärger bedeutet. Diejenigen die die Reform nicht nur aus
Bequemlichkeit behindern, sondern aus anderen Gründen, werden
natürlich versuchen die Reform umzukehren anstatt die Reform zu
reformieren und damit denen in die Arme zu arbeiten die
entgegengesetze Interessen verfolgen.
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