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  • Pnyx (1)

mehr als 1000 Beiträge seit 01.07.2017

Ergänzungen II

Für aufmerksame Beobachter der Weltläufte sagt Dillmann nichts Neues, stellt aber, mangels marxistischer Perspektive die westliche Handlungsweise zu arbiträr dar:

Dass die internationalen Kapitale (und ihre Staaten) im Falle Chinas solche Restriktionen auf der anderen Seite hingenommen haben, lag an der Attraktivität, die die Aussicht auf diesen letzten großen weißen Fleck in der kapitalistischen Weltkarte für sie darstellte:

Natürlich ist das nicht falsch, aber nur ein kleiner Teil der Gesamtmotivation. Als der chinesische Tiger zu seinem grossen Sprung vorwärts ansetzte, befand sich der Weltkapitalismus in einer schwierigen Phase. Deutlich zeigten sich Symptome von Marktsättigung, der Eintritt in die Überproduktionsphase des laufenden Zyklus war in vollem Gang. Es war nicht gelungen die Inflationskrisen ganz hinter sich zu lassen, Massenarbeitslosigkeit drohte. Der Zusammenbruch des Ostblocks und damit die Öffnung der COMECON-Staaten für den Kapitalismus verschafften eine willkommene Verschnaufspause, die neuen Märkte wurden erobert, waren allerdings längere Zeit infolge fehlender Kaufkraft schmale Kost. Im deutschen Fall musste sich der Staat massiv vorausgaben, um den Anschluss der Ex-DDR praktisch zu vollziehen, der Aufschwung war paradoxerweise sozusagen ein staatskapitalistischer. Das alles hätte aber nicht gereicht, hätte sich nicht simultan der gigantische chinesische Markt aufgetan. Dieser erst ermöglichte dem Weltkapitalismus so etwas wie eine Nachspielzeit, die, dies in Klammern, uns allen das ökologische Genick gebrochen hat.

Die anhaltend positive wirtschaftliche Entwicklung erreichte die chinesische Führung durch eine sorgfältige Planung, die dafür sorgte, dass nicht einseitig Extraktionismus gefördert wurde, sondern Arbeitsplätze im lauf der Zeit immer höherer Qualität geschaffen wurden. Was Dillmann nicht erwähnt ist die Lohnpolitik. Der chinesische Staat sorgte dafür, dass die Löhne und damit die Kaufkraft sukzessive zunahmen, was eine entscheidende Voraussetzung für die Schaffung eines starken Heimmarktes ist. Längst sind gewisse Billigindustrien weiter gezogen und beuten nun die Arbeiterschaft anderer, nicht-kommunistisch kontrollierter asiatischer Staaten aus. Einzelne weichen sogar schon nach Afrika aus, wo die Löhne noch lächerlicher sind. Dies und die planmässige Förderung des Bildungswesens und von Hightech-Branchen hat inzwischen dazu geführt, dass es heute Technologien gibt, in denen chinesische Konzerne führend sind, was die entscheidende Profitquelle der westlichen Kapitalismen zu beschneiden droht.

Seit der Finanzkrise ist die Nachspielzeit im Grunde zu Ende. Sie wird mit systemwidrigen Fiat-Geld-Fluten künstlich verlängert, was die monetäre Regulierungskraft der Zentralbanken blockiert. Gleichzeitig spitzt sich die Überproduktionskrise zu. Die chinesischen Staatskapitalisten haben das Problem natürlich auch und investieren global viel Geld, um z. B. ihren Baufirmen in Afrika Arbeit zu verschaffen. Dabei kommen sie den westlichen Konglomeraten unangenehm in die Quere. Eine marode globale Führungsmacht - die ihren pitoyablen Zustand der Unfähigkeit ihrer Führungselite zuschreiben muss - muss nun zunehmend um ihr Imperium fürchten. Spätestens dem vergleichsweise intellektuell hochstehenden Obama ist das trotz der auch ihn vernebelnden Arroganz aufgefallen. Seitdem 'wendet man sich China zu'.

In der heutigen nzz-Ausgabe legen westliche Militärstrategen die Lage dar. Beunruhigend sei der Schulterschluss zwischen Russland und China. Es ist schon erstaunlich, wie lang es gedauert hat, diese Koalition als formidabel zu begreifen. Kurz wird erwogen, mit Putin etwas pfleglicher umzugehen, um eine weitere Annäherung an China zu verhindern, denn noch gebe es keine eigentliche Allianz. Ganz ernst scheint das aber nicht gemeint zu sein, wird doch dann anschliessend darüber sinniert, ob die usa es eventuell mit beiden Grossmächten aufs Mal aufnehmen könne. Schwierig, das Verdikt, woraus auf eine Notwendigkeit geschlossen wird, Europa weiter aufzurüsten, da es sich nicht mehr auf den u.s.-Schutzschirm verlassen könne.

Dass es zu einem Showdown mit China, dem eigentlichen wirtschaftlichen Konkurrenten kommen müsse, wird aber nirgends auch nur ansatzweise in Zweifel gezogen. Und je früher, desto besser, lautet der nicht explizit ausgesprochene Rat. Die Verheerungen, die ein solcher Dritter Weltkrieg anrichten würden, kommen selbstverständlich nicht in den Blick.

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