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  • Mathematiker

mehr als 1000 Beiträge seit 22.02.2014

Der Diktator und die Demokratie

Im russischen Selbst- und Geschichtsverständnis spielen die Rus eine dominante Rolle.
Dort wird gerne vom "dreieinigen russischem Volk" gesprochen.
Das sind die Kleinrussen der Kiewer Rus, welche die wichtigste historische Keimzelle der Rus ist. Die Belarussen und die Großrussen, die heutigen Russen, die selbstverständlich das dominante Volk sind und seit Jahrhunderten die anderen beiden aus Moskau dominiert haben.

Wenn man dieses völkische Nationalbewustsein auf Deutschland überträgt, kann man auch die Niederlande, Belgien, die Schweiz und Österreich als Deutsche begreifen.
Wobei Österreich mit der alten Kaiserstadt eine ähnliche Rolle hat, wie die Ukraine mit Kiew.
Ein Demokrat würde darauf hinarbeiten, die Gemeinsamkeiten und kulturellen Bindungen stärken, damit die Ösis freiwillig den Schulterschluss mit Deutschland suchen.
Dem Diktator Putin sind solche Anwandlungen egal. Der denkt in anderen Dimensionen. Die großen russischen Herrscher (und auch Stalin) haben immer mit brutaler Gewalt geherrscht und sich nur wenig um die Gefühlslagen der eigenen Bevölkerung oder der eroberten Völker. Zwar würde seine Eroberung der Ukraine etwas Unfrieden bei Ukrainern schaffen, aber was bedeutet das schon in den historischen Dimensionen, in denen Putin denkt? Genug Propaganda-Geschwalle und spätestens die Enkel wären von seiner Aktion begeistert. Putin auf Augenhöhe mit Stalin und den großen Zaren.

Der eigentliche Casus Belli ist auch nicht die Nato oder gar die USA, sondern die EU.
Nach dem Zerfall hatten sich Belarus und die Ukraine stark an Russland orientiert. Die Folge: Durchsetzung von Oligarchen und Verarmung der Bevölkerung. Die Staaten des Ostblocks, die ihren Weg in die EU fanden, haben sich hingegen demokratisch und wirtschaftlich gut entwickelt. Das ist der Grund für die starke West-Orierung, insbesondere der Jugend, der "orangenen Revolution" und dem EURO-Maidan gewesen: Man wollte sich auch entwickeln.
Eine demokratische und westorientierte Ukraine ist aber ein realer Machtverlust für Putin. Daher hatte er ja auch seine Krim Heim in Reich geholt und wollte die Ukraine auf die gleiche Art und Weise übertöpeln.

Et altera pars: Es scheint so, dass eine eurozentrierte Wahrnehmung wie selbstverständlich von einer Seite des Guten und einer Seite des Bösen ausgeht. Noch gut kann ich mich aus eigener Erfahrung daran erinnern, dass in meinem Elternhaus diese Tradition gepflegt wurde.

Die schlaueren Zeitgenossen gewichten solchen Aussagen dann auch noch.
Der Transslawismus ist aus einem Defizit entstanden.
Der franko-germanische Kulturraum hat eine extrem hohe kulturelle Dominanz.
Wenn man für Europa Häufchen machen würde, in dem man jede kulturelle Errungenschaft der Kulturkreise auf den jeweiligen Haufen legt, so ist dieser Haufen wesentlich größer, als z.B. der Stapel der Slawen. Zudem wurde durch den kulturellen Austausch dort auch sehr viel importiert. Der ganze Ostsee-Raum wurde vor dem WK II durch Deutsche und die deutsche Sprache dominiert. Ein Peter der Große fuhr nach Westeuropa, um dort zu lernen. Im Zarenreich tummelten sich viele Deutsche in Russland in militärischen und wissenschaftlichen Führungspositionen.
Für große Mehrheit der Europäer ist dies lediglich ein Stück Geschichte, für völkische Nationalisten oder Rassisten ist das ein Riesenproblem.
Entsprechend sind deren Aussagen zu werten.

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