Das ist die Konfliktlinie im Hintergrund des Ukraine-Krieges, die sich übrigens auch in der aktuellen Zweiteilung der Welt in Sanktions-Länder und Nicht-Sanktions-Länder widerspiegelt. Bekanntermassen ist dabei Russland nicht der wirklich ernst zu nehmende Konkurrent der USA bei der Errichtung eines "New American Century", sondern China, gegenüber dem ein erfolgreiches Containment nur nach der Auflösung seines Bündnisses mit dem Rohstoff- und Nahrungsmittel-Reservoir Russland betrieben werden kann.
In der Literatur Anstösse für das Handeln politischer Potentaten auszumachen, ist immer ein waghalsiges Unternehmen. Man kann vieles behaupten, aber so richtig belegen nicht. Ich würde eher in der russichen Historiografie problematische Aspekte sehen, die für Putin & Co eine Rolle bei der Entscheidung zum Krieg gegen die Ukraine eine Rolle gespielt haben könnten. Das ist vor allem die "Sammlung der russischen Erde", ein Begriff der auf den Anschluss kleinerer Fürstentümer an das entstehende Moskowiter Reich nach Zerfall der Mongolenherrschaft zurückgeht und den in Russland jedes Schulkind kennt.
Dennoch spricht vieles dagegen, dass diese Vorstellungen bei der Entscheidung für den Krieg ein entscheidendes Gewicht hatten. Vor allem sind es die 22 Jahre Erfahrungen mit Putins-Politik, die lange auf Kooperation mit dem Westen als gleichberechtigter Partner setzte. Die von westlichen Geostrategen wie Zbig Brzezinski und ihren politischen Vollstreckern dann aber Russland zugedachte Rolle als ökonomisch abhängiger und politisch unterwürfiger Teil eines "Larger-West"-Bündnisses gegen China machte die Kooperations-Hoffnungen zunichte. In der Polit-Elite wie grossen Teilen der Bevölkerung assoziierte man diese westliche Strategie nicht zuletzt mit den Erniedrigungen und dem Chaos der Jelzin-Zeit. Man glaubt(e), dass Russland seine gewünschte Rolle in der multipolaren Welt nicht ohne den Einsatz militärischer Stärke erreichen kann, so wie die USA es seit Jahren bei der Durchsetzung ihres Führungsanspruchs tun. - Ende offen.