Cmdr. Bimberle schrieb am 26.05.2021 09:43:
Herr Sahin, sind Sie's?!
Na denn...
Nö, bin ich nicht. (Fun fact: jeder CEO eines amerikanischen Biotech-Startups mit der BioNTech könnte vor lauter Angeben mit der eigenen Kraft kaum gehen. Sahin ist das erstaunliche exakte Gegenteil davon. Aber das ist hier nicht Thema).
Soweit ich das sehe haben Sie gar keine Punkte diskutiert. Sondern mich einfach als uninformiert hingestellt und Stöcker als Volldeppen bezeichnet (meinetwegen, bin kein besonderer Fan von ihm; aber manchmal findet auch ein blindes Huhn ein Korn).
Dann dröseln wir es halt auf. Von Ihnen kam:
Es gibt keinen vernünftigen Grund, neuartige mRNA-Direktimpfungen oder virale Vektoren zu verwenden, wenn es auch konventionell geht.
und mein Punkt ist, daß Impfen mit einem wie auch immer gearteten konventionellen Impfstoff eine nur sehr schwierig flächendeckend auf die Schnelle durchführbare und logistisch beherrschbare Angelegenheit ist. Ich höre bei Ihnen nicht, daß Sie das mit einberechnen. Ich sage ja nicht, daß ich da im Detail so viel mehr weiß, aber die Größenordnung des Logistik-Problems ist mir im Umriß klar. Nehmen wir das Beispiel Grippeimpfung, wo allein die Logistik hinter Monitoring der zu jedem Zeitpunkt zirkulierenden Stämme, die Bereitstellung pharmatauglicher Hühnereier in Millionenmengen, Virusanzucht etc. einen Aufwand darstellt, von dem wir als Normalbevölkerung nicht einmal den Hauch einer Vorstellung haben.
Dann hatten wir
Es liegt also nicht an Stöcker, nicht an der Un-/Wirksamkeit seines Impfstoff und auch nicht an fehlenden Studien (die man selbstverständlich hätte machen können; stattdessen hat man Stöcker einfach verklagt).
und meine Reaktion führt bei Ihnen zu
Stöcker als Volldeppen bezeichnet (meinetwegen, bin kein besonderer Fan von ihm; aber manchmal findet auch ein blindes Huhn ein Korn).
Bitte sehr, da verwahre ich mich gegen: weder habe ich das Wort "Volldepp" benutzt, noch sehe ich ihn so korrekt angesprochen. Ein Herr Stöcker hat sicherlich mit dem Aufbau seines Lebenswerks Euroimmun eine beispiellose Erfolgsstory hingelegt, was von niemandem bezweifelt werden kann. Er muß mir als Mensch nicht zwingend sympatisch sein. Aber bei seiner Vakzine, da legt er etwas aufs Parkett, was derart einfach nicht geht. Es reicht der Punkt mit dem nicht beim Menschen zugelassenen Adjuvanz für ein "so nicht". Es gibt eine ganze Serie weiterer Fragen, die man skeptisch stellen könnte bei einem ursprünglich für diagnostische Zwecke hergestellten Protein, das dann eine Zweitverwertung für Impfzwecke erfährt und im ganzen Herstellungsprozeß mit sehr sehr hoher Wahrscheinlichkeit nicht die regulatorischen Anforderungen erfüllen kann, die (zu Recht) an ein im Menschen anzuwendendes Protein gestellt werden. Inzwischen würde ich gerne etwas von seinem Impf-Antigen für Analysen in die Finger kriegen. Und Sie müssen mir das nicht glauben, aber ich denke in diesem Thema eine Vorstellung der Fragen zu haben, weil ich hier vom Rechner aufstehen, ein paar Raume weiter ein ähnliches diagnostisches Coronavirus-Antigen aus einem Gefrierschrank herausholen und mir als Vakzine hineindrücken könnte, was ich aber wegen meines klaren Wissen über die Mängel und Gefahren einer solchen mißgenutzten Präparation nicht tue. Was Stöcker in seinem Ansatz gemacht hat, ist ja eigentlich nicht besonders überraschend und neu, weil es vergleichbare Impfstudien mit exakt einer RBD-Vakzine in dieser 200 Studien umfassenden Gesamtliste schon gibt und auch schon eine Veröffentlichung zu dem exakt gleichen Ansatz. Inhaltlich kann man ein bißchen mit dem Kopf schütteln, weil ein RBD-Antigen ein bisserl klein sein und nicht genügend T-Zell-Epitope für gute Antworten bei allen denkbaren MHC-Allelen in der menschlichen Population bieten könnte, aber das ist für die Kritik hier eher irrelevant. Ja, man hätte selbstverständlich Studien machen können, und es hätte in der Verantwortung eines Herrn Stöcker gestanden, solche Studien und das Geld dafür zu organisieren. Hat er nicht gemacht (und war wahrscheinlich auch sehr spät dran um eine Förderung zu organisieren). Stattdessen will er dickköpfig mit dem Kopf durch die Wand, und da ist es mir persönlich vollkommen egal, wie sehr er es sich mit offiziellen Stellen vergrätzt hat, aber allein wegen seines fragwürdigen Umgangs mit den pharma-regulatorischen Anforderungen an die Vakzine-Substanzes wird es ihn erwischen, und das - unabhängig vor allen interpretierbaren gesundheitspolitischen Aspekten, die auch bei Ihnen anklingen - korrekterweise und selbstverschuldet. Jetzt hat der Herr Stöcker irgendwie, vielleicht geschickt, vielleicht unbeabsichtigt, geschafft in eine Rolle als Underdog zu kommen, was ihm viel Sympathie von Seiten der üblichen Verdächtigen einbringt, die weltanschaulich anti-große Pharma, anti-Maßnahmen, anti-neue Impftechnologien, anti-Zwangsimpfungen auch mit klassischen Methoden, anti-Kapitalismus, anti-Staat, anti-alles mögliche andere in der augenblicklichen Durcheinandersituation sind. Sie werden nicht verneinen können, daß ein Teil dieser Beschreibungen auch auf Sie zutrifft. Ich denke, daß viele der Stöcker-Fans die Situation vollständig falsch verstehen und daß bei klarem Verständnis, auf wie dünnem Eis die Stöcker-Vakzine methodisch steht, vor peinlich berührter Scham sich wünschen müssten, daß sich der Boden auftut und sie verschlingt. Gerade so die klassischen Anti-Vaxxer, die sich jetzt zu einem Kompromiß durchringen "eigentlich will ich ja nicht, aber wenn, dann müsste es ein klassischer Impfstoff sein + Stöcker bedient das", wenn die das mit dem aluminium-haltigen Adjuvanz merken täten, gegen das in dieser Szene bis zur Bewußtlosigkeit gewettert wird, sie würden die Welt nicht mehr verstehen. Und in der Summe finde ich es vollkommen unehrlich, diese Probleme nicht zu sehen oder nicht sehen zu wollen und statt dessen auf die Schiene der Kapitalismus-Kritik an dem Verhalten von Nationalstaaten und Großmächten zu springen, das ist so ungefähr der 5. Schritt vor dem ersten getan. Bei dem aktuellen Bespiel Stöcker-Vakzine bin ich nicht bereit diesen Schritt zu gehen, und deshalb finde ich Ihre erste Antwort auf mich unbefriedigend und thematisch daneben.
Und dann gibt es noch folgenden Reaktionsbedarf auf Ihren letzten Post.
Sagen Sie doch mal: Was ist der tiefere Sinn dahinter, unter 35jährige zu impfen? Oder gar Kinder? Mit einem definitiv sehr neuartigen Impfstoff (eine Impfung im klassischen Sinne ist's jedenfalls nicht). Personen mit sehr geringem Komplikationsrisiko bei Wildtyp-Infektion.
Wie für quasi jede Impfung (Ausnahmen a la Tollwut interessieren hier mal nicht): A) Eigenschutz (vor einer sich etablierenden Infektion überhaupt, oder zum Schutz vor schweren Verläufen), und B) Reduktion einer Infektions-Krankheit in der Bevölkerung durch Verringerung des infizierbaren Anteils. Über B kann man im aktuellen COVID-Fall hin und her diskutieren, das lasse ich jetzt bleiben, aber ich denke mal, daß Sie B nicht anerkennen und wir dadurch schon massiv auseinanderliegen. Daß man für B einen möglichst großen Teil der Bevölkerung impfen will, sollte zumindestens intellektuell nachvollziehbar sein. Komplikationsrisiko fällt unter A. Grundsätzlich kann jedem in informierter Selbstverantwortung (na, wieviele können das?) überlassen bleiben, ob man sich impfen lassen will oder nicht. Ich denke aber, daß individuelle und altersabhängige Krankheitsrisiken bei COVID-Erkrankungen deutlich unterschätzt werden und daß gerade diejenigen, die nur und rein auf Grundlage von Sterbezahlen reden wollen, sich selber unbewusst etwas vormachen und vormachen wollen.
Wäre es nicht naheliegender gewesen, ein Wald-und-Wiesen-Coronavirus (z.B. OC43) unter's Volk zu bringen? Kreuzimmunität hätte zigtausende Tote verhindert.
Hier fange ich als molekular-immunologisch ausgebildeter Biologe einfach nur an, dreckig zu lachen. Ich weiß wirklich nicht, wie man mit einem Begriff "Kreuzimmunität" sinnvoll umgehen will, denn quasi alle aktuellen Benutzer dieses Begriffs lesen oder hören von immunologischen Kreuzreaktivitäten zwischen verschiedenen Antigenen oder hier Virus-Arten, schalten mental auf "Kreuzimmunität" und rufen dann "hurra, eigentlich ist eine schützende Immunität ja doch schon da + und wir brauchen die ganzen Maßnahmen nicht !". Und da sind ein paar nicht erlaubte Gedankensprünge drin, und es stimmt überhaupt nicht. Nicht das ich danach gesucht hätte, aber von einer überzeugenden + über Kreuzreaktivität hinausgehende und partiellen Schutz implizierende Kreuzimmunität habe ich bisher nichts gehört.
Eine andere Story, die mich in diesem Kontext sehr, sehr skeptisch macht: es gibt ja eine ungeheure Streiterei über die besten Impfansätze. Manche Old-Schooler wollen klassisch eine inaktivierte Corona-Virus-Totvakzine favorisieren. Ok, ignorieren wir mal die notwendige Logistik. Im chinesichen Sinovac-Impfstoff steckt so etwas drin, und zwar inaktiviiert durch beta-Propiolacton (Details sind unwichtig). Wichtig ist aber, daß bei elektronenmikroskopischer Analyse sehr viele Spike-Proteine auf dem so inaktivierten Virus in die sogenannte postfusions-Form gewechselt sind, und demzufolge das Impfantigen gerade nicht die für Bildung infektionsneutralisierender Antikörper zwingend erforderliche präfusions-Konformation enthält. Das hat einen hohen Erklärungswert dafür, daß von Sinovac ein bisher nur mauer Impfschutz berichtet wird. Im Grunde genommen haben wir mit Sinovac das Experiment, was die gesamte zelluläre T-Zell-Immunität gegen alle viralen Proteine plus der nicht-neutralisierende Teil der Antikörper-Antwort zu leisten in der Lage ist, nämlich nicht so toll viel, und was die neutraliserenden oder sonstwie präfusions-bindenden Antikörper da noch drauf setzen können an Impfschutz. Ich weiß ja, worauf ich eher setzen würde. Mit dieser Argument-Kette + weil rezeptorbindende Teil des OC43-Spikes komplett anders sind als bei SARS-CoV-2 fällt jede Hoffnung auf eine OC43-Impfung auf die Nase.
Wäre es nicht noch naheliegender gewesen, OC43 als Vektor zu verwenden (statt Adenoviren)?
In Teilen siehe oben. In anderen Teilen: ich kann mir nicht vorstellen, daß es vor der Epidemie irgendwelche OC43-basierten Ansätze gegeben hätte. Eine entsprechende Adenovirustechnologie gab es aber schon, und damit war das der Hammer, zu dem man gegriffen hat. Mehrjährig eine OC43-Vakzine zu entwickeln fällt ja wohl aus und wäre dann doch auch angemeckert worden "bääh, eine nicht validierte, neue und abzulehnende widerliche Technologie". Außerdem kann ich fundamental biologisch einsehen, wenn man einen Transport-Vektor-Virus und die Impf-Nutzlast biologisch soweit wie möglich von einander trennen will, um alle Effekte sauber auswerten zu können, also eher nicht z.B. Corona CoV-2 Spike in einen Coronavirus OC43.
Und ja: Ich halte die mRNA-Technologie für fortschrittlich und zukunftsorientiert. Besser als irgendwas auf Affennieren zu züchten und danach zu versuchen, die wesentlichen Bestandteile (ohne Kram den man nicht haben will) auszusieben.
Huch, erschrecken Sie mich doch nicht so!
Aber um damit gleich die ganze Bevölkerung "wegzuspritzen", dafür fehlen immer noch Erfahrungswerte. Deshalb ist und bleibt es Profitgier und politisches Kalkül. Keine medizinische Notwendigkeit.
-Bimberle
Nochmal wiederholt: B oben.
Das Posting wurde vom Benutzer editiert (26.05.2021 17:12).