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  • demon driver

mehr als 1000 Beiträge seit 25.02.2000

Re: "gegen den heiligen Marx gesündigt"

schopy schrieb am 21. Oktober 2014 18:26

> Im Kapitalismus werden Waren nicht produziert weil die armen Menschen
> doch Brot, Hosen und ein iPhone brauchen. Das kapitalistische System
> interessieren die Bedürfnisse der Menschen nicht. Waren werden
> auschließlich deshalb produziert weil

... sie sich für mehr Geld verkaufen lassen, als ihre Produktion
gekostet hat. Sonst nichts.

> dies in einer bestimmten Phase
> des aktuellen kapitalistischen Zyklus' DER Weg ist, die
> Zinsforderungen des akkumulierten Kapitals zu erfüllen (Profit). 

Die "Zinsforderungen des Kapitals" sind die Gebühren für das
Verleihen von Geld als Vorgriff auf ein zukünftiges
Aus-Geld-mehr-Geld-Machen in der realen Warenproduktion, sonst
nichts.

> Wenn die Zinsforderungen des Kapitals aber zu hoch werden (und sie
> steigen systembedingt exponentiell), um sie noch über die Ausbeutung
> in der Warenproduktion zu erfüllen, sucht und generiert der
> Kapitalismus andere Wege, um die Zinsforderungen des akkumulierten
> Kapitals zu erfüllen: Spekulation, Börsencasino, Scheitern- und
> Rettenspielchen, ESM-Vertrag...

So weit, so richtig - das sind dann Vorgriffe auf Vorgriffe,
Vorgriffe auf Vorgriffe auf Vorgriffe usw. Aber das sind alles
Symptome und die ändern nichts am Gesagten. 

Jetzt verlinke, nein, zitiere ich auch mal was. Ich bin ja nicht der
erste, der sich mit der "Zinskritik" auseinandersetzt, andere sind
bzw. waren da schon berufener, und hier nur mal was ganz
Grundlegendes:

"Bekanntlich gibt es neben dem industriellen und kommerziellen
Kapital das Kreditkapital [...].

Alles Kapital ist zunächst Geldkapital, also Geld, das nicht für
Konsum verausgabt, sondern kapitalistisch 'angelegt' wird. Die Form
dieser Anlage ist jedoch verschieden. Das industrielle und
kommerzielle Kapital (auch das von Dienstleistungsunternehmen) wird
in Arbeitskraft, Gebäude, Maschinen usw. investiert, um es durch die
Produktion oder Distribution von Gütern zu 'verwerten'. Die Anwendung
von Arbeitskraft setzt dem ursprünglichen Geldkapital Mehrwert zu,und
dieser wird durch Verkauf der Produkte auf dem Markt 'realisiert'.
Das Kreditkapital dagegen ist ein Geldkapital, das sich nicht durch
die Produktion von Gütern verwertet, sondern das verliehen wird gegen
den 'Preis' des Zinses.

Tatsächlich handelt es sich nur um eine abgeleitete Form des
Mehrwerts, denn der Zins (und natürlich die Rückzahlung) des
ausgeliehenen Geldkapitals kann nur abfallen, wenn die entleihende
Instanz, in der Regel ein industrielles oder kommerzielles Kapital,
dieses Geld in reale kapitalistische Warenproduktion steckt und diese
auf dem Markt realisiert worden ist. Das heißt nichts anderes, als
dass das Produktionskapital die 'Beute', den Mehrwert, mit dem
Kreditkapital oder zinstragenden Kapital teilen muss. Der Mehrwert
spaltet sich auf in Unternehmensprofit und Zins, wobei der Zins
letztlich nichts anderes als der abgetretene Teil des
Unternehmensprofits ist."

(Robert Kurz in "Die Tücken des Finanzkapitals", Teil 1,
http://exit-online.org/textanz1.php?tabelle=schwerpunkte&index=1&posn
r=116&backtext1=text1.php)

Die immer weiter ausufernden "Finanzprodukte", die "Wege, um die
Zinsforderungen des akkumulierten Kapitals zu erfüllen", sind
hilflose Versuche der Akteure im Kapitalismus, ohne die menschliche
Arbeit, die allein aus einer Sache eine wertvollere und damit aus
Wert mehr Wert zu machen imstande ist, aus Geld ganz unvermittelt
mehr Geld zu machen – weil es der realen Warenproduktion infolge
ungebremsten Produktivitätsfortschritts immer weniger gelingt, den
benötigten reellen Mehrwert abzuwerfen. Es ist ja nicht nur so, dass
ein immer größerer Teil der ausgewiesenen Wirtschaftserträge
Finanzerträge anstatt "produktiver" Erträge sind, sondern es handelt
sich zwangsläufig bei einem immer größeren Teil der nominellen
Wirtschaftserträge einfach um fiktives Kapital, das sich niemals mehr
in barer Münze auszahen ließe, womit alles zwangsläufig auf eine
Entwertung zusteuert – wie sie in Gestalt geplatzter Blasen in den
ökonomischen Krisenereignissen der jüngeren Vergangenheit schon
begonnen hat, so bereits etwa die Dotcom-Blase im Jahr 2000. 

Nochmal – deine Beobachtungen sind ja größtenteils richtig, und
selbstverständlich hat die Tatsache, dass es sowas wie Zins gibt,
bestimmte Folgen, aber das ändert ja alles gar nichts daran, dass der
Kapitalismus nicht vom Zins kommt, sondern umgekehrt, dass das Wesen
des Kapitalismus nicht der Zins ist, sondern Warenproduktion und
Mehrwertzwang.

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