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  • Sach Lich

75 Beiträge seit 26.09.2022

Hätte Gustav Heinemann heute eine Chance?

Vielen Dank an heise für den qualitativ hochwertigen Beitrag, der die Möglichkeiten der Meinungs- und Pressefreiheit aufzeigt und damit die Demokratie zu verteidigen hilft.
Diese Qualität war für mich bereits in der Vergangenheit der Grund, heise als Medium zur Information zu nutzen und zu schätzen.

Es war nicht meine Zeit, es war nicht mein Land. Aber die Worte Gustav Heinemann's, die heise im Jahre 2014 zitierte, haben womöglich auch Gorbatschow's Glasnost und Perestroika angeregt, da sie auf gesunden Menschenverstand und eine Vertragsfähigkeit schließen lassen, die nicht mit Waffengewalt gesichert werden muss.

Was besagt eigentlich das aktuelle Narrativ bezüglich der in eine "Stationierung" überführten Besetzung Deutschlands durch US-Truppen?
Hat die außenpolitische Ausrichtung Deutschlands möglicherweise etwas mit der Uneinigkeit der Allierten vom zweiten Weltkrieg zu tun? Damals waren die Allierten gegen Deutschland. Wir wurden besiegt und besetzt. Die ehemaligen Allierten sind inzwischen "verfeindet", ein Teil der Allierten hat seine Truppen aus Deutschland abgezogen. Mit Denen, die noch Truppen in Deutschland haben, sind wir "verbündet".
Stockholmsyndrom?

https://www.heise.de/tp/features/Wir-sind-die-Guten-3492662.html?seite=all

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"Hoffnung auf bessere Ordnungen"

Ein anderer Bundespräsident fand vor langer Zeit ganz andere, bescheidene und vielleicht umso treffendere Worte. Zu seinem Amtsantritt am 1. Juli 1969 sprach Gustav Heinemann auch über nationale Verantwortung. Seine Rede hat dabei an Aktualität wenig verloren:
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Meine Damen und Herren, ich trete das Amt in einer Zeit an, in der die Welt in höchsten Widersprüchlichkeiten lebt. Der Mensch ist im Begriff, den Mond zu betreten, und hat doch immer noch diese Erde aus Krieg und Hunger und Unrecht nicht herausgeführt. Der Mensch will mündiger sein als je zuvor und weiß doch auf eine Fülle von Fragen keine Antwort. Unsicherheit und Resignation mischen sich mit der Hoffnung auf bessere Ordnungen. Wird solche Hoffnung endlich erfüllt werden? Das ist eine Frage an uns alle, zumal an uns hier, die wir kraft der uns erteilten Mandate Verantwortung für unsere Mitbürger tragen.

Ich sehe als erstes die Verpflichtung, dem Frieden zu dienen. Nicht der Krieg ist der Ernstfall, in dem der Mann sich zu bewähren habe, wie meine Generation in der kaiserlichen Zeit auf den Schulbänken lernte, sondern der Frieden ist der Ernstfall, in dem wir alle uns zu bewähren haben. Hinter dem Frieden gibt es keine Existenz mehr. (…) Ich appelliere an die Verantwortung in den Blöcken und an die Mächte, ihre Zuversicht auf Sicherheit nicht im Wettlauf der Rüstungen, sondern in der Begegnung zu gemeinsamer Abrüstung und Rüstungsbegrenzung zu suchen. [Beifall] Abrüstung erfordert Vertrauen. Vertrauen kann nicht befohlen werden; und doch ist auch richtig, daß Vertrauen nur der erwirbt, der Vertrauen zu schenken bereit ist. Es gehört zu den vornehmsten Aufgaben unserer Politik, Vertrauen aufzuschließen. Dieser Aufgabe sind alle Machtmittel unterzuordnen - die zivilen und die militärischen. (…)

Wir werden erkennen müssen, daß die Freiheit des einzelnen nicht nur vor der Gewalt des Staates, sondern ebensosehr vor ökonomischer und gesellschaftlicher Macht geschützt werden muß. Der Einfluß der Verbände und ihrer Lobbyisten steht oft genug im Gegensatz zu unserer Ordnung, in der Privilegien von Rechts wegen abgeschafft sind, aber in der sozialen Wirklichkeit noch weiter bestehen. (…)

Es gibt schwierige Vaterländer. Eines davon ist Deutschland. Aber es ist unser Vaterland. Hier leben und arbeiten wir. Darum wollen wir unseren Beitrag für die eine Menschheit mit diesem und durch dieses unser Land leisten. In solchem Sinne grüße ich auch von dieser Stelle alle deutschen Bürger." [Lebhafter Beifall]
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Man stelle sich vor, ein amtierender Bundespräsident hätte diese Rede 2014 auf der Münchner Sicherheitskonferenz gehalten. Wahrscheinlich wäre er gar nicht erst eingeladen worden.
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