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  • Haschpappi

mehr als 1000 Beiträge seit 10.07.2017

Wer ist M. K....

Als 2006 in Kassel der Internetcafébesitzer Halit Yozgat in Anwesenheit von mehreren Besuchern mit zwei Schüssen in den Kopf ermordet wurde, waren sich Polizei, Staatsanwaltschaft und Medien schnell einig: Es handele sich hierbei um einen weiteren "Döner-Mord", also um eine Straftat unter Ausländern. Damit war klar, dass man alles unterließ, um einem neonazistischen, rassistischen Motiv nachzugehen. Das hatte zur Folge, dass man alles aufbot, um einen Killer unter kriminellen Ausländern ausfindig zu machen und alles dafür tat, um neonazistische Strukturen rund um Kassel unbehelligt zu lassen. Die so geführten Ermittlungen verliefen konsequent im Sande.

...und warum blieb er von behördlichen Ermittlungen im Mordfall Halit Yozgat verschont?
Während alle Klarnamen der “Köpfe“ (siehe Exif-Recherche Link/ URL unten) von Kasseler Rechtsextremisten/ Neonazis bekannt sind, existiert kein Name (und kein Foto) zu “M. K.“

“(…) So wohnte M. K. zum Zeitpunkt des Mordes zwei Häuser neben dem Internetcafé, in dem Halit Yozgat erschossen wurde. M. K. war zu dieser Zeit als neonazistischer Gewalttäter bekannt. In einem Gespräch, das Antifaschist:innen im Januar 2020 mit ihm führten, betonte er, er sei niemals von einer Behörde („obwohl ich genau nebenan gewohnt habe“) auf den Mord an Halit Yozgat angesprochen worden.
Der Kasseler Neonazi Markus Hartmann hatte Halit Yozgat persönlich gekannt. Er war 2006 von der Polizei vernommen und nach vier kurzen Fragen und Antworten für „nicht weiter relevant“ befunden worden. Hartmann wird heute vorgeworfen, beim Mord an Walter Lübcke Beihilfe geleistet zu haben. Corryna Görtz, eine Neonazistin aus dem militanten Kern der Kasseler und Thüringer Szene, gab 2017 in einer Befragung vor dem hessischen NSU-Untersuchungsausschuss an, wenige Monate vor dem Mord mehrfach das Internetcafé von Halit Yozgat besucht zu haben. Görtz war sehr wahrscheinlich mit Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe bekannt gewesen. Dennoch fand sich auch zu ihr bis dahin kein nennenswerter Ermittlungsstrang.
Bei allen dreien stellen sich die Fragen: Kann polizeiliches Handwerk tatsächlich so miserabel sein? Oder wurden die Ermittlungen auch zu diesen drei Personen gebremst? Oder wurden Erkenntnisse und Ermittlungsergebnisse den Gerichten und Untersuchungsausschüssen vorenthalten, was einer Vertuschung gleich kommt?
Markus Hartmann, Corryna Görtz und M. K. sind bzw. waren Teil einer Kasseler Neonaziszene, die stets überschaubar war, doch immer ihre Organisierungs- und Erlebnisräume hatte: In Fußball- und Eishockey-Stadien, in Rocker-Clubhäusern und in diversen Kneipen. Ihr harter Kern bestand aus einigen Dutzend Personen und war, wie heute nachzuvollziehen ist, von Spitzeln der Geheimdienste durchdrungen. Dennoch – oder gerade deswegen – konnte die Kasseler Szene eine mörderische Dynamik entfalten. Das letzte Opfer war am 2. Juni 2019 der nordhessische Regierungspräsident Walter Lübcke.

Neonazi und Nachbar von Halit Yozgat

Der 1979 geborene M. K. fiel um die Jahrtausendwende erstmals im Kasseler Raum als Neonazi auf. Am 18. Juni 2000 zählte er zu einer Gruppe von Neonazis, die bei einer Kirmes-Veranstaltung im nordhessischen Hofgeismar aus einem rassistischen Motiv auf Menschen einprügelten. Spätestens seit diesem Vorfall war er als rechter Gewalttäter aktenkundig. K. gehörte unter anderem den «Ice-Boys» an, einem Eishockey-Fanclub, der personell mit der neonazistischen Kameradschaft «Gau Kurhessen» verflochten war. M. K. erzählt, er sei auch mit Stephan Ernst bekannt gewesen, dem mutmaßlichen Mörder von Walter Lübcke.
Anhand einer polizeilichen Personen- und Fahrzeugkontrolle lässt sich nachvollziehen, dass M. K. und Stephan Ernst am 25. August 2002 in Dransfeld bei Göttingen wahrscheinlich zusammen unterwegs gewesen waren. Für diesen Tag war in Dransfeld eine Demonstration der Jugendantifa angekündigt gewesen, die kurzfristig abgesagt worden war. Einige Neonazis waren dennoch angereist, vermutlich hatten sie die Absage nicht mitbekommen und geplant, Antifaschist:innen zu provozieren oder anzugreifen. Augenzeugen berichteten über zirka ein Dutzend Neonazis, die an diesem Tag in der Stadt nach Antifaschist:innen suchten. Zehn von ihnen wurden von der Polizei kontrolliert und erhielten Platzverweise. Die Polizist:innen notierten den Namen von M. K., sein Geburtsdatum und seine Adresse: „Holländische Str. 86 in 34117 Kassel“. Keine 30 Meter weiter, in der Holländisches Straße 82, eröffnete im Frühjahr 2004 der 19-jährige Halit Yozgat ein Internetcafé. Am 6. April 2006 wurde er dort von den Mördern des NSU erschossen. Zum Zeitpunkt der Tat wohnte M. K. noch in der Holländischen Straße 86, er selbst gibt an, 2006 oder 2007 von dort weggezogen zu sein. Er sagt, er habe Halit Yozgat nicht gekannt und sei zum Zeitpunkt der Tat nicht in der Nähe des Tatorts gewesen.
Keine Ermittlungen zu M. K. Festzustellen

Auf M. K. stieß die Mordkomission spätestens 2008, als sie das Umfeld des Verfassungsschutz-Mitarbeiters Andreas Temme überprüfte. Eine ihrer Arbeitshypothesen war, dass Temme einer Gruppe angehört haben könnte, die die Mordserie begangen hatte. Die Ermittler:innen analysierten dazu das Umfeld von Benjamin Gärtner, einem Neonazi der Kasseler Szene und V-Mann, den Andreas Temme geführt hatte. Gärtner hatte spätestens seit Anfang der 2000er Jahre als „GP 389“ (GP steht für Gewährsperson) Temme über die Neonaziszene im Raum Kassel berichtet. In einer Personenliste der «Ice-Boys», die Temme mutmaßlich vorlag und auf die Angaben von Gärtner zurück geht, sind sowohl Gärtner als auch M. K. namentlich genannt. Gärtner war zudem, wie auch M. K., am 18. Juni 2000 am rassistischen Angriff in Hofgeismar beteiligt.
Temme ist unzweifelhaft der Schlüssel zum Kasseler NSU-Mord, denn er war vor Ort, als Halit Yozgat erschossen wurde. Mit Gärtner hatte er knapp eine Stunde vor dem Mord ein ungewöhnlich langes Telefonat geführt und sich wenig später zum Internetcafé von Halit Yozgat aufgemacht. So überprüfte die Polizei welche Bekannten von Gärtner Verbindungen zum Tatort in Kassel und zu anderen NSU-Tatortstädte aufwiesen. Dabei stießen sie auf M. K., da dessen Handy in den Tagen des Mordes an Halit Yozgat in der Funkzelle des Tatorts eingeloggt war. In einem Bericht führen die Ermittler:innen die „Treffer“ zu mehreren Personen aus, die ebenfalls im Raster hängen geblieben waren, und erklären, warum sie bei diesen Zusammenhänge mit den Morden aus schlossen. Doch zu M. K. ist in dem Bericht außer seinem Namen, seinem Geburtsdatum und den Hinweis auf den Funkzellen-Treffer nichts zu finden. Nicht einmal seine Adresse in der Holländischen Straße 86 ist genannt.
Es ist überaus brisant, dass eine Person aus dem politischen Freundeskreis von Benjamin Gärtner in unmittelbarer Nachbarschaft des Tatorts wohnte. Vor allem, da es die Umstände der rassistischen Mordserie vermuten lassen, dass der NSU in den Städten der Morde HelferInnen hatte. Dies betraf insbesondere Kassel. In der Zwickauer Wohnung von Beate Zschäpe, Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos war eine Skizze des Internetcafés von Halit Yozgat gefunden worden, was zeigt, dass dieses im Vorfeld ausgekundschaftet worden war, möglicherweise von lokalen Neonazis. Alleine die Tatsache, dass M. K. neben dem Tatort wohnte, stellt ihn nicht unter den dringenden Verdacht, ein Helfer des NSU gewesen zu sein. Aber er wäre zumindest ein wichtiger Zeuge gewesen.
M. K. hätte den Ermittler:innen mehrfach auffallen und entsprechende Ermittlungsvorgänge in Gang setzen müssen: In der Tatort-Funkzellenabfrage, in einer erweiterten Tatortanalyse, in der das Umfeld des Tatortes nach polizeilich bekannten Personen und Neonazis untersucht wurde. Dann 2008, als speziell das Umfeld von Temme und Gärtner eingehend im Blickfeld stand. Und in den erneuten Ermittlungen nach der Selbstenttarnung des NSU im Jahr 2011, als klar war, dass die Morde von Neonazis begangen worden waren. Doch es lässt sich nicht feststellen, dass es in all den Ermittlungen im Fall Yozgat eine „Spur K.“ gegeben hat. Weder in den parlamentarischen Untersuchungsausschüssen noch im Münchner NSU-Prozess fiel jemals sein Name. (...)“

https://exif-recherche.org/?p=6622

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