Eine ganze Reihe Punkte, die mir übel aufgestoßen sind, ich bitte schon mal um Entschuldigung wegen der Textlänge:
1. Die Leistungsfähigkeit einer Volkswirtschaft hängt nicht einfach von der Bevölkerungszahl ab. Es gibt kleine, moderne Volkswirtschaften mit einer hohen Produktivität pro Kopf. Taiwan zB hat 23 Millionen Einwohner. Was also die Darstellung des Bevölkerungsrückgangs soll, erschließt sich mir nicht. Will der Autor mal wieder die Toten und Vertriebenen als eine Art unabwendbares Naturereignis hinstellen, nicht als Ergebnis der ganz bewußt begangenen Verbrechen einer marodierenden Soldateska?
2. Ein NATO-Mitglied braucht kein großes stehendes Heer, siehe Baltikum. Im Gegensatz zu einem neutralen Staat, Finnland ist ein gutes Beispiel. Die haben ausdrücklich als Begründung für ihren Beitritt zur NATO auch den Grund genannt, daß sie so ihre Rüstungsausgaben verringern können, während ihr Schutz vor den Imperialisten im Kreml sich sogar noch verbessert. Das ist schließlich die Idee hinter einem Verteidigungsbündnis. Beebe hat hier also gegen eine neutrale Ukraine argumentiert - es sei denn, er hängt auch noch der vollkommen absurden Idee an, die Ukraine könnte nicht nur neutral, sondern gleichzeitig auch noch "demilitarisiert" weiterbestehen, wie es der Aggressor fordert. Das wäre dann allerdings fast schon eine Aufforderung, sich dem angekündigten Völkermord zu ergeben.
3. In der Ukraine wurden nicht Oppositionsparteien verboten, sondern prorussische Oppositionsparteien, die in der Vergangenheit aktiv an der Destabilisierung der Ukraine mitgewirkt haben. Was Präsidentenwahlen im Kriegszustand angeht, muß der Autor erstmal erklären, wie er sich die vorstellt. Millionen von Ukrainern sind ins Ausland geflohen oder leben unter russischer Okkupation. Wie sollen dort Wahlen nach demokratischen Standards organisiert werden? Oder will er nur in der freien Ukraine wählen lassen? Wären nicht er und alle anderen Prorussen die ersten, die die Legitimität solcher Wahlen bestreiten würden?
4. Das Dilemma, daß die Russen die NATO-Aufnahme verhindern könnten, indem sie weiter die Ukraine angreifen, läßt sich ganz einfach auflösen: nach dem Beispiel Finnlands und Schwedens. Die NATO hat diesen beiden Ländern im Fall eines Antrags auf Beitritt zugesichert, sie bereits unter den Schutz des Artikels 5 zu stellen, solange das Verfahren läuft. Simple as that. Die Russen werden sich hüten, mit voller Absicht den Bündnisfall auszulösen, wenn sie gerade mit einem Arschtritt aus der gesamten Ukraine in ihren international anerkannten Grenzen geschmissen wurden.
5. Der Autor wiederholt (wie immer) die prorussische Forderung, daß die Ukrainer einen "Kompromiß" mit dem Aggressor machen sollen, mit der bemerkenswerten Begründung, daß der sonst noch Millionen weitere Ukrainer vertreibt, foltert und ermordet und das Land in Schutt und Asche legt. Der Autor weiß also ganz genau, wem er hier einen Erfolg dieses völkerrechtswidrigen Eroberungskrieges zuschustern will. Im Zivilrecht käme das der Unterstützung einer räuberischen Erpressung gleich. Was er (auch wie immer) zu erwähnen vergißt, sind die Opfer, die ein Nachgeben der Ukraine fordern würde. Kommt es dann etwa nicht zur Massenflucht vor dem stalinistischen Folter- und Mordregime, das der Kreml bereits einzurichten beginnt? Wieviele Menschen werden der angekündigten "Säuberung" und jahre- bis jahrzehntelangen Russifizierung zum Opfer fallen? Wieviele Ukrainer werden eine solche grausame Zukunft nicht einfach akzeptieren und in den bewaffneten Widerstand gehen?
Insgesamt also nichts Neues bei TP. Die Schlagzahl erhöht sich weiter, passend zur immer verzweifelteren Lage der Russen an der Front. Neue, bedenkenswerte Argument: keine.