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Metaphysischer Pluralismus

yossarian schrieb am 4. Mai 2003 22:14

> "Zusammen sind wir unausstehlich" kommt mir da immer in den Sinn. Um
> die neue Triple-Entente zusammenzuhalten, wird einiges an Arbeit
> nötig sein. Welche Sprache wird man sich z.B. für die
> zwischenstaatlichen Konsultationen aussuchen? Am Besten wäre
> natürlich Latein, aber das ist nur so ein frommer Wunsch von mir.
> Nach welchen Richtlinen soll die neue Elite ausgebildet werden? Alles
> so Fragen, die man sich stellen muß.

Latein würde ich auch cool finden. Aber die Frage nach der Ausbildung
der Eliten beantwortet sich mit Deiner anderen Frage: mehrsprachig
und
multikulturell. Wer nicht wenigstens einige Jahre in einem anderen
Land
gelebt hat, der ist auch nicht geeignet das Ganze zu repräsentieren.
Bilingualität und Bikulturalität bilden das Minimum.

>
> > Man sollte sich nur gegenwärtig klar machen, dass er keine
> > "Identität" besitzt, sondern eine Differenz ist. Die USA ist die
> > Identität, Eurasien ist eine Differenz.
>
> Die VSA haben eine Fahne, eine Sprache, eine Hymne, eine Armee und
> einen Gott. Und über allem die persönliche GIER: Alles Dinge, auf die
> ich leicht verzichten kann. Stattdessen will ich lieber viele
> Sprachen, viele Hymnen sowie viele Menschen, die viele Sprachen und
> viele Hymnen kennen und verstehen. Den Gott brauchen wir auch nicht
> und statt der Armee tuts auch ein dichter Igelpelz: Das sind die
> Gemeinsamkeiten, auf denen man ein Europa vom Atlantik bis zum Ural
> bauen kann: Laßt uns friedlich miteinander wetteifern, lernen und
> Handel treiben, aber wenn uns einer aus der Ferne dumm von der Seite
> anmacht, soll er sich an uns die Zähne ausbeissen.

Es ist offensichtlich, dass Europa, eine europäische Souveränität, so
wie sie sich nach dem politischen Ende der UNO abzeichnet bei jenen,
die der Koalition der Willigen nicht angeschlossen haben, nur über
die Verteidigung einer politisch inspirierten Postmoderne laufen
wird. Diese kann aber nicht in einem Grundsatz münden, in etwas, dass
man ist, sondern nur in einem Verhältnis zu etwas anderem. Europa
wäre demnach das, was sich nicht unilateral verstehen kann, was den
Amerikanischen Unilateralismus nicht begreift. Die Postmoderne wäre
damit auch metaphysisch geworden, nur ist diese Metaphysik gar nicht
die europäische Metaphysik, wie sie dekonstruiert wurde, also auch
ein Reichs- und Einheitsdenken, auch keine dialektische Synthese, die
eine Progression und ein Ende der Geschichte impliziert, sondern eher
eine chinesische oder eine verallgemeinerte Form von ihr, der eine
plurale Manngifaltigkeit als Basiskonzept dient. Das ist es, was ich
meinte, als ich sagte, dass die Chinesen dies eher verstehen würden,
da der Taoismus bereits eine vormoderne Form dieser Denkweise ist,
übrigens auch eine vormoderne Form des Liberalismus und
Individualismus, den sie nun wieder nicht verstehen.

Für die politische Konstruktion des Feindes, nach Schmitt und
Maresch, bedeutet
dies, dass dieser nicht ein absoluter Feind, d.h. das Böse ist,
sondern ein notwendiges Element im Spiel der Pluralität. Das ist es,
was ich mit Balancierung gemeint hatte. Es geht ja nicht darum, die
USA zu bekämpfen und zu besiegen, das wäre vollkommen absurd, sondern
sie zu manipulieren, auf der Ebene eines Spiels, dass sie überstiegt,
sie in ihrer eigenen Logik zu fangen. Die Chinesen wissen übrigens
auch heute noch, wie man so etwas spielt, trotzt Mao und KP. Sie sind
der einzige mir bekannte Staat, dem es gelungen ist, kapitalistische
Global Player zu manipulieren und auszubeuten, einfach in dem sie sie
in ihrer Logik fangen. Sie sind hier den Europäern im strategischen
Denken haushoch überlegen.

Tloen


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