http://www.vsp-vernetzt.de/soz/010203.htm
Der Mord an Patrice Lumumba
Ein internationales Komplott
Am 17.Januar jährt sich zum 40.Mal der heimtückische Mord am ersten
kongolesischen Premierminister Patrice Lumumba: ein Mord im Auftrag
des belgischen Staates und anderer Imperialisten. Ein politischer
Krimi.
Tagaus, tagein haben wir die Beleidigungen, die Demütigungen und die
Hiebe ertragen müssen. Man hat uns erniedrigt, weil wir Neger waren.
Wie können wir vergessen, dass man uns als Schwarze mit ‚Du‘ ansprach
und das gewiss nicht aus Freundschaft, sondern weil das respektvolle
‚Sie‘ für Weiße reserviert war." Am 30.Juni 1960 spricht Patrice
Lumumba, der neue, charismatische Premier des Kongo auf der
Unabhängigkeitsfeier des Kongo. Der belgische König Baudouin ist
entsetzt über die Unverfrorenheit des 35-jährigen Afrikaners.
Patrice Lumumba war der Anführer der Nationalen Kongolesischen
Bewegung, die 1959 an der Rebellion gegen die Kolonialmacht Belgien
teilgenommen hatte. 1960 hatten die Belgier den Kongo dann aus Angst
vor einem Kolonialkrieg in die Unabhängigkeit entlassen. Aus den
ersten Wahlen war Lumumbas Partei als starke Kraft hervorgegangen.
Der Panafrikanist wurde Premierminister. Die Belgier aber hätten eine
andere, "moderate" Regierung vorgezogen.
Schon elf Tage nach der Unabhängigkeit brachen Unruhen im Kongo aus.
Katanga, die rohstoffreiche Provinz im Südosten des Landes, sagte
sich von der Zentralmacht los. Bis heute ist Katanga die Schatzkammer
des Kongo. Hier hatten belgische Staatskonzerne während der
Kolonialzeit Kupfer, Uran und andere Metalle abgebaut: wichtige
Rohstoffe für die Rüstungsindustrie und für die Produktion von
Atombomben. Für die USA Grund genug, Katanga als strategisch wichtige
Weltregion in die Karten des Kalten Krieges einzuzeichnen.
Ein Garant für die westlichen Interessen war Lumumbas Gegenspieler,
Moise Tschombe, der Anführer der Katanga-Sezessionisten. Folglich
protegierten die Belgier Moise Tschombe. Der führte auch keine
antiimperialistischen Reden wie Lumumba. Lumumba meinte es ernst mit
dem Kampf gegen koloniale Ausbeutung und Diskriminierung. Als etwa
die kongolesischen Soldaten die Afrikanisierung der Armee forderten,
stimmte er zu. Die Belgier fürchteten um ihren Einfluss auf die
Armee. Also gaben sie grünes Licht für die Sezession von Katanga.
Die Belgier senden Truppen zur Stärkung Tschombes in die abtrünnige
Provinz. Premierminister Lumumba spricht von einer militärischen
Aggression. Die findet auch auf politischer Ebene statt. Der
belgische Botschafter im Kongo schickt ein Telegramm an das
Außenministerium in Brüssel: "Ich habe einem Minister Lumumbas unsere
Kritik an der Haltung des Premierministers und gewisser anderer
zweifelhafter Mitglieder des Kabinetts vorgehalten und ihm unsere
Hoffnung nicht verheimlicht, statt Lumumba ihn an der Spitze der
Armee oder an der Spitze des Landes zu sehen." Der belgische
Botschafter in Leopoldville sucht also bereits zwölf Tage nach der
Unabhängigkeit einen neuen, den Belgiern genehmen Premier.
Die UNO intervenierte, "um den sowjetischen Bär vom kongolesischen
Kaviar fernzuhalten"
Lumumba hat inzwischen mit Erfolg an die UNO appelliert. Diese
unterstützt die Regierung Lumumba. Jedenfalls offiziell. Tatsächlich
aber will die UNO verhindern, dass Lumumba Hilfe von dritter Seite
erhält, von anderen afrikanischen Staaten oder sogar von der
Sowjetunion. Denn Lumumba hatte gesagt, er nehme Hilfe von jedem an,
um die Aggression zu stoppen. Die UNO intervenierte also vor allem,
so erklärte der amerikanische Botschafter im Kongo, "um den
sowjetischen Bär vom kongolesischen Kaviar fernzuhalten".
Das eigentliche Ziel der UN-Mission wird schnell deutlich: Überall im
Kongo werden Blauhelme stationiert. Nur nicht in Katanga, wo
belgische Offiziere die Sezession organisiert hatten. Dann aber gibt
die UNO Lumumbas Drängen scheinbar nach. UNO-Soldaten werden zwar in
Katanga stationiert. Gegenüber den belgischen Aggressoren aber
bleiben sie passiv. Die belgischen Soldaten werden in die
katangesischen Armee integriert. Mit diesem Schachzug wird es Lumumba
unmöglich gemacht, die Kontrolle über Katanga militärisch
wiederzugewinnen.
Patrice Lumumba protestiert und gibt nicht auf. Die Belgier, die von
den USA dominierte UNO, der gesamte Westen haben sich gegen ihn
verschworen — unter dem Vorwand, einen afrikanischen Kommunisten zu
bekämpfen. Die westlichen Medien helfen beim Ausmalen dieses
Feindbildes. Sie nennen den intellektuellen Lumumba einen
"Emporkömmling", "Neger-Premier eines sogenannten Staates",
"tobsüchtigen Premierminister", sie bezeichnen ihn als "Urwaldneger
mit dem Ziegenbart", "Poltergeist" und "kraushaarigen Messias".
Im August 1960 schickt CIA-Direktor Dulles ein Telegramm an seinen
CIA-Mann in der kongolesischen Hauptstadt Leopoldville: "Falls
Lumumba an der Macht bleibt, wird die Situation im besten Falle in
ein Chaos münden und im schlechtesten Falle in der Machtergreifung
der Kommunisten im Kongo. Wir haben entschieden, dass seine
Entfernung das wichtigstes Ziel ist und oberste Priorität hat bei
unseren geheimen Aktionen." US-Präsident Eisenhower hatte persönlich
empfohlen, Lumumba zu eliminieren.
Auch die Belgier greifen zu härterem Geschütz. Auf ihr Geheiß
entlässt der kongolesische Staatspräsident von Brüssels Gnaden,
Joseph Kasavubu, am 5.September 1960 den Premierminister Lumumba.
Gegen die Verfassung und unter dem Schutz der UNO. Lumumbas
ehemaliger Kampfgefährte, Joseph Mobutu übernimmt das Kommando über
die Streitkräfte.
Eisenhower empfahl, Lumumba zu eliminieren
In den folgenden Tagen überstürzen sich die Ereignisse. Das Volk
protestiert vehement gegen die Absetzung Lumumbas. In Senat und
Parlament erhält er überwältigende Unterstützung. Patrice Lumumba
reist durchs Land und erhält überall großen Zuspruch. Der belgische
Außenministers schreibt an seine Mitarbeiter: "Die eingesetzten
kongolesischen Autoritäten haben die Pflicht, Lumumba unschädlich zu
machen." Der aber ist nicht zu packen. Schließlich drängt der Westen
Armeechef Mobutu zu einem Staatsstreich.
Am 14.September 1960 übernimmt das Militär die Macht. Das Parlament
wird aufgelöst. Unter dem Vorwand von "Ruhe und Ordnung" schließt die
UNO Radiosender und Flughäfen. Die USA und Belgien stellen eine
Million Dollar zur Verfügung, um die Soldaten auf Mobutus Seite zu
ziehen. Mit Erfolg: zwei Wochen nach dem Putsch umstellen Soldaten
die Residenz Lumumbas. Blauhelme der UNO formen einen inneren Kreis,
Mobutus Soldaten einen äußeren. Der Premierminister ist im eigenen
Land exiliert. Der Mann, der weltweit die antikoloniale Revolution
personifiziert, ist gefangen.
...
Am 17.Januar 1961 werden Maurice Mpolo, Joseph Okito und Patrice
Lumumba in einer DC4 der belgischen Fluggesellschaft SABENA von einer
belgischen Crew in die Hauptstadt Katangas, Elisabethville, geflogen.
Mobutu-Soldaten bewachen die Gefesselten. Augen, Ohren und Münder hat
man ihnen zugeklebt. Während des gesamten mehrstündigen Fluges werden
sie mit Füßen getreten und gefoltert. Man reißt Lumumba den
Schnurrbart aus und Haarbüschel vom Kopf . Man zwingt ihn, das zu
schlucken. Einigen Zuschauern aus der Crew wird übel. Der Funker
bleibt ein Leben lang von diesem Erlebnis traumatisiert.
...
In diesen Stunden finden zwei geheime Treffen in Elisabethville
statt: eins der belgischen Offiziere und eins des belgischen
Schattenkabinetts. Alle Beteiligten stimmen überein, dass Lumumba
sehr bald tot sein werde und dass sie nicht intervenieren werden. Am
Abend erhält einer der belgischen Militärs in der Gendarmerie vom
belgischen Feldkaplan eine telefonische Botschaft: "Bloß kein Blut an
den Händen! Ich wiederhole: Bloß kein Blut an den Händen."
...
Birgit Morgenrath
(Rheinisches JournalistInnenbüro)
----------------------------------------------------------
Onliner
Der Mord an Patrice Lumumba
Ein internationales Komplott
Am 17.Januar jährt sich zum 40.Mal der heimtückische Mord am ersten
kongolesischen Premierminister Patrice Lumumba: ein Mord im Auftrag
des belgischen Staates und anderer Imperialisten. Ein politischer
Krimi.
Tagaus, tagein haben wir die Beleidigungen, die Demütigungen und die
Hiebe ertragen müssen. Man hat uns erniedrigt, weil wir Neger waren.
Wie können wir vergessen, dass man uns als Schwarze mit ‚Du‘ ansprach
und das gewiss nicht aus Freundschaft, sondern weil das respektvolle
‚Sie‘ für Weiße reserviert war." Am 30.Juni 1960 spricht Patrice
Lumumba, der neue, charismatische Premier des Kongo auf der
Unabhängigkeitsfeier des Kongo. Der belgische König Baudouin ist
entsetzt über die Unverfrorenheit des 35-jährigen Afrikaners.
Patrice Lumumba war der Anführer der Nationalen Kongolesischen
Bewegung, die 1959 an der Rebellion gegen die Kolonialmacht Belgien
teilgenommen hatte. 1960 hatten die Belgier den Kongo dann aus Angst
vor einem Kolonialkrieg in die Unabhängigkeit entlassen. Aus den
ersten Wahlen war Lumumbas Partei als starke Kraft hervorgegangen.
Der Panafrikanist wurde Premierminister. Die Belgier aber hätten eine
andere, "moderate" Regierung vorgezogen.
Schon elf Tage nach der Unabhängigkeit brachen Unruhen im Kongo aus.
Katanga, die rohstoffreiche Provinz im Südosten des Landes, sagte
sich von der Zentralmacht los. Bis heute ist Katanga die Schatzkammer
des Kongo. Hier hatten belgische Staatskonzerne während der
Kolonialzeit Kupfer, Uran und andere Metalle abgebaut: wichtige
Rohstoffe für die Rüstungsindustrie und für die Produktion von
Atombomben. Für die USA Grund genug, Katanga als strategisch wichtige
Weltregion in die Karten des Kalten Krieges einzuzeichnen.
Ein Garant für die westlichen Interessen war Lumumbas Gegenspieler,
Moise Tschombe, der Anführer der Katanga-Sezessionisten. Folglich
protegierten die Belgier Moise Tschombe. Der führte auch keine
antiimperialistischen Reden wie Lumumba. Lumumba meinte es ernst mit
dem Kampf gegen koloniale Ausbeutung und Diskriminierung. Als etwa
die kongolesischen Soldaten die Afrikanisierung der Armee forderten,
stimmte er zu. Die Belgier fürchteten um ihren Einfluss auf die
Armee. Also gaben sie grünes Licht für die Sezession von Katanga.
Die Belgier senden Truppen zur Stärkung Tschombes in die abtrünnige
Provinz. Premierminister Lumumba spricht von einer militärischen
Aggression. Die findet auch auf politischer Ebene statt. Der
belgische Botschafter im Kongo schickt ein Telegramm an das
Außenministerium in Brüssel: "Ich habe einem Minister Lumumbas unsere
Kritik an der Haltung des Premierministers und gewisser anderer
zweifelhafter Mitglieder des Kabinetts vorgehalten und ihm unsere
Hoffnung nicht verheimlicht, statt Lumumba ihn an der Spitze der
Armee oder an der Spitze des Landes zu sehen." Der belgische
Botschafter in Leopoldville sucht also bereits zwölf Tage nach der
Unabhängigkeit einen neuen, den Belgiern genehmen Premier.
Die UNO intervenierte, "um den sowjetischen Bär vom kongolesischen
Kaviar fernzuhalten"
Lumumba hat inzwischen mit Erfolg an die UNO appelliert. Diese
unterstützt die Regierung Lumumba. Jedenfalls offiziell. Tatsächlich
aber will die UNO verhindern, dass Lumumba Hilfe von dritter Seite
erhält, von anderen afrikanischen Staaten oder sogar von der
Sowjetunion. Denn Lumumba hatte gesagt, er nehme Hilfe von jedem an,
um die Aggression zu stoppen. Die UNO intervenierte also vor allem,
so erklärte der amerikanische Botschafter im Kongo, "um den
sowjetischen Bär vom kongolesischen Kaviar fernzuhalten".
Das eigentliche Ziel der UN-Mission wird schnell deutlich: Überall im
Kongo werden Blauhelme stationiert. Nur nicht in Katanga, wo
belgische Offiziere die Sezession organisiert hatten. Dann aber gibt
die UNO Lumumbas Drängen scheinbar nach. UNO-Soldaten werden zwar in
Katanga stationiert. Gegenüber den belgischen Aggressoren aber
bleiben sie passiv. Die belgischen Soldaten werden in die
katangesischen Armee integriert. Mit diesem Schachzug wird es Lumumba
unmöglich gemacht, die Kontrolle über Katanga militärisch
wiederzugewinnen.
Patrice Lumumba protestiert und gibt nicht auf. Die Belgier, die von
den USA dominierte UNO, der gesamte Westen haben sich gegen ihn
verschworen — unter dem Vorwand, einen afrikanischen Kommunisten zu
bekämpfen. Die westlichen Medien helfen beim Ausmalen dieses
Feindbildes. Sie nennen den intellektuellen Lumumba einen
"Emporkömmling", "Neger-Premier eines sogenannten Staates",
"tobsüchtigen Premierminister", sie bezeichnen ihn als "Urwaldneger
mit dem Ziegenbart", "Poltergeist" und "kraushaarigen Messias".
Im August 1960 schickt CIA-Direktor Dulles ein Telegramm an seinen
CIA-Mann in der kongolesischen Hauptstadt Leopoldville: "Falls
Lumumba an der Macht bleibt, wird die Situation im besten Falle in
ein Chaos münden und im schlechtesten Falle in der Machtergreifung
der Kommunisten im Kongo. Wir haben entschieden, dass seine
Entfernung das wichtigstes Ziel ist und oberste Priorität hat bei
unseren geheimen Aktionen." US-Präsident Eisenhower hatte persönlich
empfohlen, Lumumba zu eliminieren.
Auch die Belgier greifen zu härterem Geschütz. Auf ihr Geheiß
entlässt der kongolesische Staatspräsident von Brüssels Gnaden,
Joseph Kasavubu, am 5.September 1960 den Premierminister Lumumba.
Gegen die Verfassung und unter dem Schutz der UNO. Lumumbas
ehemaliger Kampfgefährte, Joseph Mobutu übernimmt das Kommando über
die Streitkräfte.
Eisenhower empfahl, Lumumba zu eliminieren
In den folgenden Tagen überstürzen sich die Ereignisse. Das Volk
protestiert vehement gegen die Absetzung Lumumbas. In Senat und
Parlament erhält er überwältigende Unterstützung. Patrice Lumumba
reist durchs Land und erhält überall großen Zuspruch. Der belgische
Außenministers schreibt an seine Mitarbeiter: "Die eingesetzten
kongolesischen Autoritäten haben die Pflicht, Lumumba unschädlich zu
machen." Der aber ist nicht zu packen. Schließlich drängt der Westen
Armeechef Mobutu zu einem Staatsstreich.
Am 14.September 1960 übernimmt das Militär die Macht. Das Parlament
wird aufgelöst. Unter dem Vorwand von "Ruhe und Ordnung" schließt die
UNO Radiosender und Flughäfen. Die USA und Belgien stellen eine
Million Dollar zur Verfügung, um die Soldaten auf Mobutus Seite zu
ziehen. Mit Erfolg: zwei Wochen nach dem Putsch umstellen Soldaten
die Residenz Lumumbas. Blauhelme der UNO formen einen inneren Kreis,
Mobutus Soldaten einen äußeren. Der Premierminister ist im eigenen
Land exiliert. Der Mann, der weltweit die antikoloniale Revolution
personifiziert, ist gefangen.
...
Am 17.Januar 1961 werden Maurice Mpolo, Joseph Okito und Patrice
Lumumba in einer DC4 der belgischen Fluggesellschaft SABENA von einer
belgischen Crew in die Hauptstadt Katangas, Elisabethville, geflogen.
Mobutu-Soldaten bewachen die Gefesselten. Augen, Ohren und Münder hat
man ihnen zugeklebt. Während des gesamten mehrstündigen Fluges werden
sie mit Füßen getreten und gefoltert. Man reißt Lumumba den
Schnurrbart aus und Haarbüschel vom Kopf . Man zwingt ihn, das zu
schlucken. Einigen Zuschauern aus der Crew wird übel. Der Funker
bleibt ein Leben lang von diesem Erlebnis traumatisiert.
...
In diesen Stunden finden zwei geheime Treffen in Elisabethville
statt: eins der belgischen Offiziere und eins des belgischen
Schattenkabinetts. Alle Beteiligten stimmen überein, dass Lumumba
sehr bald tot sein werde und dass sie nicht intervenieren werden. Am
Abend erhält einer der belgischen Militärs in der Gendarmerie vom
belgischen Feldkaplan eine telefonische Botschaft: "Bloß kein Blut an
den Händen! Ich wiederhole: Bloß kein Blut an den Händen."
...
Birgit Morgenrath
(Rheinisches JournalistInnenbüro)
----------------------------------------------------------
Onliner