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  • yossarian

mehr als 1000 Beiträge seit 20.06.2000

Das Problem ist ein anderes

Das Problem ist, daß viele Eltern heutzutage annehmen, daß ohne
Abitur ihr Kind keine Chancen im Leben hat. Aus diesem Grund wird von
der Elternseite gefordert, möglichst viele Kinder zum Abitur zu
führen. Diesem Auftrag kommt v.a. die Gesamtschule gerne nach: Sie
führt viel mehr Leute zum Abitur als andere Schularten, allerdings
auf Kosten der Qualität des Abiturs.

Wir haben heute viel mehr Abiturienten als früher, aber keine
schlaueren Menschen.

Denn die neuen Abiturienten sind allein durch Aufweichung der
Qualitätsstandards zustandegekommen, nicht durch besondere Leistung.
So war es zeitweise im rot-grünen Hessen der frühen 90er möglich,
sein Gesamtschul-Abitur ohne einen Mathematik-Grundkurs in der
Oberstufe zu erhalten. Bei sowas greift man sich nur noch fassungslos
an den Kopf: Es wurden professionell Blödlinge herangezüchtet, aus
einem völlig falschverstandenen Gleichheitsideal heraus.

Das böse Erwachen kommt dann auf der Uni, wenn irgenwelche
Gesamtschulabiturienten Sozialwissenschaften studieren wollen, und
ihnen die ihre miesen Mathematikkenntnisse das Bestehen des
Statistikgrundkurses erschweren. Mit der Statistik (die nun wirklich
nicht viel mehr verlangt, als die Oberstufenstochastik an einem
richtigen Gymnasium), filtern wir hier die Nixkönner. Das ist nicht
überall so, leider.

Ähnliches weiß ich von den Philologen, wo das böse Erwachen bei den
Studenten daraus resultiert, daß man zum Studium diverser Sprachen
halt immer noch eine Mindestbildung an Latein mitbringen muß. Viele
haben die nicht und diese Leute haben es verdammt schwer.

Und die Universitäten werden dank dieser ganzen Minus-Abiturienten
von den Gesamtschulen zunehmend von Studenten bevölkert, die niemals
dort hätten landen dürfen.

Das Dilemma dabei ist, daß die Angst der Eltern tw. berechtigt ist:
Die Durchlässigkeit des Bildungsystems ist NACH dem ersten
berufsqualifizierenden Abschluß nicht mehr so einfach gegeben.

DAS ist das eigentliche Problem.

Es wäre sehr viel gewonnen, wenn man die Daumenschrauben zum Bestehen
der Allgemeinen Hochschulreife stärker anzieht. Das würde v.a. die
Qualität des Studentenmaterials an den Universitäten sehr erhöhen.

Leute, die im Alter von 18-20 Jahren nicht grundsätzlich für
akademisches Arbeiten geeignet sind, die haben nichts an der Uni
verloren. Es wäre sehr viel besser, wenn sie auf Lehrberufsausbildung
oder Fachhochschulen zurückgreifen würden und erst anschließend die
Allgemeine Hochschulreife erwerben würden.

Daher plädiere ich sehr dafür, daß all jenen, die nicht im ersten
Anlauf das Abitur bewältigen, zu einem späteren Zeitpunkt immer die
Möglichkeit gegeben wird, höhere Bildungspatente zu erwerben. Gerade
dieser 2. Bildungsweg via Abendschule ist sehr schwierig für
Lehrlinge und Berufstätige, er verlangt viel Lerndisziplin nach einem
langen Arbeitstag. Das ist nicht ideal gelöst.

Ich habe die Erfahrung gemacht, daß meine besten und kritischsten
Studenten ihre Hochschulreife auf dem 2. Bildungsweg erworben haben,
bzw. zu der Gruppe gehörten, die nach dem Abitur erst eine Lehre
absolvierte und dann erst auf die Uni ging.

Das sind Leute mit starker Bodenhaftung, einem kritischen empirischen
Geist, die den Arbeitsalltag kennen und das Privileg der Universität
erst richtig zu schätzen wissen: Wer minimum 2,5 Jahre jeden Tag um
spätestens 8:00 Uhr bei seiner Ausbildungsstelle oder in der
Berufsschule sein mußte, der kann erst richtig ermessen, wie schön es
ist, wenn ein Seminar um 10:00 c.t. beginnt.

Und er mal eine Stunde länger ausschlafen kann.

Und selbst die dümmsten Bemerkungen eines Dozenten sind nun
einigermaßen erheblich liebevoller, als die harschen Worte von Gesell
& Meister im Ausbildungsbetrieb. Ich hab noch keinen Studenten ein
Arschloch geheissen, das soll in Kfz-Meisterbetrieben auf dem Dorf
durchaus schon mal ggü. dem Lehrling vorgekommen sein.

Nichts steigert die Motivation des Studenten so sehr, wie wenn man
vorher erlebt hat, wie Scheiße die Realität wirklich ist. Und
deswegen bin ich sehr dafür, daß man, bis auf ein paar wirklich schon
primär Geeignete, die Masse erst mal 2-3 Jahre in die Produktion
steckt, bevor sie einen Hörsaal besuchen darf.

Dann hat sich nämlich auch das unerträgliche Deppengelaber vieler
Studenten ziemlich gegessen.

Was mich am Allermeisten erstaunt, ist das Kontradiktorische: Man
sollte ja vermuten, daß Studenten, die zuvor als Lehrlinge in stark
hierarchisch geprägten Ausbildundgsbetrieben eingebunden waren,
Autorität und Unterordnung viel eher akzeptieren, als ihre Kollegen
mit Gesamtschulabitur, die von linksliberalen LehrkörperInnen zur
Permanentkritik an den herrschenden Verhältnissen verzogen wurden.

Dem ist aber ganz und gar nicht so. Die dümmsten Blökschafe sind die
Gesamtschüler, diejenigen mit echter und handfester Argumentation
sind die Ex-Lehrlinge.

Mich freut das.

bottom line: Erst mal Bundeswehr und Lehre, arbeiten und was lernen,
dann studieren. Dann hat sich schon viel unfähiges Kroppzeug
ausgemendelt oder ist halt anderswo gelandet.

mfG, yossarian
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