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  • the observer

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Haltung des Geistes

derJ schrieb am 10.08.2016 08:07:

Logotherapie, Haltung des Geistes wirkt auf Körper und Seele

"Mens agitat molem" schrieb der römische Dichter Vergil, "der Geist bewegt die Materie". Das bemerkten z.B. auch Einstein, Bohr oder Heisenberg im Umfeld der Quantenphysik, aber, Herr im Himmel, der nicht würfelt, das würde die gesamte klassische Mechanik und Physik nicht nur auf, sondern in den Kopf stellen... Das Bild vom Menschen wandelte sich fundamental - weder ist er teilnahmsloser Beobachter der Welt, noch ihr autarker Beherrscher. Er ist eingebunden in die Natur, in seine Lebenssphäre - er kann sich also nicht mit Wissenschaft und Technik aus seiner natürlichen Umgebung vollends "herauslösen".

Eine narzisstische Kränkung, die viele Menschen heute noch nicht verkraften können - sie wollen beim anthropozentrischen Gotteskomplex bleiben. Vgl.

https://de.wikipedia.org/wiki/Kr%C3%A4nkungen_der_Menschheit

Der Mensch scheint das Bindeglied zwischen materieller und geistiger Welt zu sein.

Es gibt keine Belege für die Existenz einer solchen eigenständigen, von der materiellen abgekoppelten geistigen Welt, dagegen sehr viele dafür, daß die geistige Welt ein Produkt der materiellen Welt ist und nur im Zusammenhang mit ihr existieren kann.

Wobei diese dualistische, trennende Weltanschauung im Denken östlicher Philosophie gar nicht erst existiert (vgl. Subjekt-Objekt-Spaltung), sondern möglicherweise "nur" ein Produkt der abendländischen Geistesgeschichte ist.

Du hättest besser geschrieben: ...war. Ist Dir entgangen, daß dieser immer wieder heraufbeschworener Dualismus längst nicht mehr dem aktuellen Erkenntnisstand entspricht? (aber immer noch ein beliebtes Argument gegen den Naturalismus abgibt)

Das Menschenbild, das Selbstverständnis könnte unvollständig, lückenhaft sein, da es mit der wissenschaftlichen Methode erarbeitet wurde, also ein postuliert teilnahmsloser (!) Beobachter durch Experimente, Versuche und Messreihen Erkenntnisse über den menschlichen Geist gewonnen hat.

Ja, es könnte nicht nur, sondern es ist, denn jegliches Wissen ist unvollständig und wandelbar. Aber es gibt keine auch nur annähernd so zuverlässige Erkenntnismethode wie die wissenschaftliche, und die daraus gewonnenen Erkenntnisse sind belastbar, also in der Praxis anwend- und überprüfbar.

Das Bild vom Menschen in der "westlichen Wertegemeinschaft" (..) ähnelt also noch heute nicht von ungefähr dem einer etwas komplexeren Laborratte, einer biomechanischen Selbstoptimierungs-Maschine, die nach rein rationalen Kriterien sich autark selbst steuert... (vgl. Maschinenparadigma).

Jetzt fehlt nur noch der Verweis auf Lewis Mumford.

Die Materie bewegt den Geist und der Geist bewegt die Materie - ein unauflösbares Wechselspiel, daß eher in Relationen (Relativitätstheorie..) zu fassen ist, als in absoluten Messdaten.

Ein ziemlich ungenießbarer Eintopf, in dem unterschiedslos alles hineingeworfen wird, was sich nur ansatzweise zur Stützung des eigenen Weltbildes eignet. Da wird sogar die wissenschaftliche Methode, der der ungeliebte Naturalismus (oft als Materialismus bezeichnet) zugrundeliegt, und gegen den man eigentlich zu Felde zieht, zur Argumentation hinzugezogen... Ich vermisse noch die Erwähnung der Quantenphysik.

Nach christlicher Mythologie ist die Materie das Fleisch (lat. carne -> Inkarnation), die den menschlichen Geist zum Niederen, zur Dunkelheit verführen, zu irdischen Begierden, also Gier, Hochmut, Wollust und Völlerei etc... Dagegen wirkt der Geist, der in der Enthaltung "weltlicher Ausschweifungen" zum Himmel aufsteigt, zum Licht gelangt, als Gegenspieler der Materie:

https://de.wikipedia.org/wiki/Frucht_des_Heiligen_Geistes

Heilig kann auch als "heilend" begriffen werden. Und heilender Geist lebt in unzähligen Schriften, über Zeit und Raum hinweg.. Der spirituelle Breitbandanschluss an die Geisteswelt wird jedoch leider nur noch selten von Kirchen vertrieben, die wenigsten Ärzte verschreiben heute Bücher von Freud oder Kant.

Sollten also Mythologien als Allheilmittel verordnet werden?

Ich frage mich, da Du ja oben die Logotherapie als Heilmittel preist (wogegen ja absolut nichts zu sagen ist), weshalb Du dann der Meinung bist, man müsse ausgerechnet Freud verschreiben, dessen Theorien der Entwickler der Logotherapie, Herzl, kritisierte. Und ob Kant tatsächlich heilkräftig wirkt und nicht im Gegenteil Beklemmungen verursacht, bleibt fraglich.

Wobei es nicht viel "mentale Medizin" geben dürfte, die dem intellektuellen Materialismus des ideologisch indoktrinierten Gesundheitswesens (vgl. profitable "Nazi-Medizin", die Geist und Seele verleugnet) das unerlässliche Medikament "Selbstheilungskraft" entgegenstellt und damit erst Heilung initiiert.

Ironischerweise stammt die Erkenntnis, daß Menschen über diese Selbstheilungskräfte verfügen, weder von Freud noch der Bibel noch von Steiner, sondern aus den Reihen des " ideologisch indoktrinierten Gesundheitswesens". Eine weitere narzißtische Kränkung?

Nicht als triviale Gesundheitsratgeber, sondern als De-Demenz-Programm, denn auch "mens agitat mens" dürfte für geistige Beweglichkeit (sic!) im Alter sorgen, für geselliges Miteinander grauer Zellen und, mit Verlaub, ergrauter Menschen.

"Fürchtet den Dichter nicht, wenn er edel zürnet, Sein Buchstab Tödtet, aber es macht Geister lebendig der Geist."
Hölderlin

"Gnothi seauton" (Erkenne Dich selbst) war auch ein Gesundheitstipp, angebracht auf dem Orakel von Delphi. Überhaupt empfahl schon Platon die Heilung der Seele (Psyche = Seele, Therapeia = Heilung), aber das waren ja bestimmt auch nur "faule Griechen", ohne Wunderpillen und Apparatemedizin der modernen Lebensverlängerungstechniken...

Die heutigen Mediziner und Psychologen des " ideologisch indoktrinierten Gesundheitswesens" empfehlen das gleiche. Nur mit dem Unterschied, daß sie eine andere Auffassung über den Ursprung dessen haben, was man Seele, Geist, Psyche, ... nennt.

Das Posting wurde vom Benutzer editiert (10.08.2016 10:41).

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