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Avatar von nickless_guy
  • nickless_guy

368 Beiträge seit 14.08.2017

Re: Russland ist von der Friedenspflicht befreit?

Nein, nur ist die Welt eben komplexer als ein einfaches Russland/die Nato ist schuld.

Lösen wir uns für einen Moment mal von dem Konflikt und betrachten ein paar Dinge allgemeiner.
Wann fängt ein Krieg an?
Man kann nun sagen, ein Krieg fängt damit an, das jemand ihn erklärt.
Nun, nach dieser Logik haben England und Frankreich den Deutsch-Polnischen Krieg zum 2. Weltkrieg eskaliert. Und ich denke, wie sind uns alle einig, dass es so einfach dann doch nicht ist. Aber wann genau fing der 2. Weltkrieg wirklich an?
Mit dem deutschen Überfall auf Polen? Mit der Anexion des Sudetenlandes oder Österreichs? Oder fing er eigentlich schon 1918 in Versaille an? (Das war die Version der Nazis.) Oder doch 36 in Spanien?
Für jede dieser Deutungen kann man Punkte anführen, und für etliche weitere Zeitpunkte. Beginnt ein Krieg mit der ersten Kugel? Oder der Erklärung? Oder dem Moment, wenn er unausweichlich ist? Und wann ist er unausweichlich? Oder irgendwann anders?
Ein Krieg beginnt nicht wirklich mit der ersten Kugel, oder einer Kriegserklärung, er ist heute ein Zeichen einer gescheiterten Politik. In diesem Fall dem Scheitern einer europäischen Sicherheitspolitik, die für alle akzeptabel erscheint.

Man kann also den Beginn dieses Krieges an einigen Punkten seit dem Jahr 1990 festmachen. (Da hatte sich die Krim von der Ukraine losgesagt, noch als Soviet-Republik) bis zum 24.02.2022, als Russland einmaschiert ist. Man könnte aber auch auf den Maidan verweisen, oder den Aufstand im Osten und auf der Krim, oder den Beginn der Anti-Terror-Operation der Ukraine 2014. (Oder den Gas-Streit, oder ...) Wenn man ihn als Produkt einer gescheiterten europäischen Sicherheitspolitik sieht, wurde er unvermeidlich, als klar war, dass die NATO wachsen würde, und das sie Russland nicht aufnehmen würde.

Nun zu deiner Frage.
Wenn wir Kriege als etwas sehen, das im Kontext internationaler Politik geschieht, dann war es die NATO, die hätte handeln können, bzw. anders handeln können. In dieser Logik kann ein Waffengang unvermeidbar sein, ob das auf Russland objektiv betrachtet zutraf, kann man nicht mit Sicherheit beantworten, aber offensichtlich ist dies die subjektive Wahrheit in Russland. Und wir haben darauf, zu keiner Zeit, angemessen reagiert. Die NATO und die Ukraine müssen hier als 2 getrennte Entitäten gesehen werden, ob die Ukraine so handeln musste oder nicht, ist ebenfalls nicht sicher zu sagen, bei der NATO hingegen können wir es, denn diese war durch eine neutrale Ukraine nicht bedroht. Leider ist Außenpolitik im Westen mittlerweile ein Spiel für Amateure, daher war niemand hier in der Lage, angemessen zu reagieren, und eine Perspektive für ein Europa mit Russland zu entwickeln. Und da der Westen die stärkere Seite war, hätte er hier anders, besonnener Handeln müssen.
Denn letztlich sind die Argumente gegen Russland an den Haaren herbeigezogen.
Georgien und die Ukraine sind genau so wenig Demokratien wie Russland, die Türkei maschiert immer mal wieder irgendwo ein, Frankreich, die Amis und die Briten ebenfalls, nein, hier ging es um die Macht der USA, denn Russland und Europa sind eigentlich ein perfekt Match. Wir haben das Know How und das Geld, die Russen das Militär (vorallem die Nuklearstreitkräfte) und Rohstoffe. Aus dieser Perspektive liegt die Hauptschuld bei den Amis, Deutschland, Frankreich und den Briten, sowie den angeschlossenen Organisationen NATO und EU. Macht dass das russische Handeln richtig? Nein, aber es rückt das Bild grade. Hier ist nicht ein Irrer losmaschiert. Hier ist Politik gescheitert und das liegt an allen Beteiligten. Wer wie stark verantwortlich ist, ist wieder eine eigene Debatte, die durchaus kontrovers führen kann.

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