... so unendlich schwer ist es auch, sie wieder zu beenden.
Nach der Niederlage der russischen Streitkräfte im Norden, ist dieser Krieg zu einem klassischen War of Attrition geworden. Ein Kräftemessen, bei dem schlussendlich entscheidet, wer die politischen, wirtschaftlichen und militärischen Kosten des Krieges länger tragen kann und will. Und je nach Ausgang sind die im Artikel skizzierten Ausgänge alle mehr oder weniger plausibel. Zumindest wenn man denn das Ende des Krieges als vorläufiges Ende der Kampfhandlungen begreifen möchte.
Ob damit aber der Konflikt beendet wird, wage ich dann doch zu bezweifeln, da alle diese Ausgänge eine hohe Wahrscheinlichkeit für eine spätere revanchistische Wiederaufnahme der Kämpfe in sich tragen. 'Im Felde unbesiegt' hat man hierzulande ja vereinzelt noch in unguter Erinnerung ...
Die Art der jetzigen Kriegführung hat für beide Seiten hohe Risiken. Offensichtlich ist das für die Ukraine, auf deren Territorium der Krieg stattfindet. Der humanitäre, wirtschaftliche und militärische Preis für eine Fortsetzung des Krieges ist ungleich höher als für Russland. Andererseits hat sie nicht die militärischen Möglichkeiten die Bedingungen der Kriegführung zu ändern. Wenigstens nicht auf absehbare Zeit. Wie lange die ukrainische Bevölkerung bereit sein wird, diesen Preis zu bezahlen kann wohl niemand absehen.
Nicht ganz so offensichtlich sind die Risiken für Russland. Aber auch dort mehren sich die Anzeichen, dass es den russsischen Streitkräften zunehmend schwerer fällt, die Verluste an Menschen und Material qualitativ gleichwertig zu ersetzen.
Erste Schrtte für eine weitere Umstellung der russischen Wirtschaft auf eine Kriegswirtschaft wurden bereits unternommen, etwa durch die Priorisierung von Rüstungsbetrieben. Ebenso ist eine verdeckte Mobilisierung in vielfältiger Form im Gange, zuletzt etwa durch die Aufforderung Freiwilligenbataillone zu bilden.
Auch wenn dies im Augenblick vielleicht noch keine gravierenden Auswirkungen auf die russische Gesellschaft und Wirtschaft hat, zeigt es doch, dass Russland diesen Konflikt - im Gegensatz zu allen anderen der Sowjet- und Postsowjetära - nicht in einer 'Friedenskonfiguration' bewältigen kann.
Und die Aussichten werden, sollte sich der Krieg wie bisher fortsetzen, nicht besser. Sollen weitere Gebiete erobert werden, werden auch die Versorgungslinien wieder länger, und - wie die letzten Tage zeigen - auch zunehmend anfälliger durch weitreichende Waffen der Ukraine. Die Eroberung weiterer Gebiete wird daher auch mit weiteren Verlusten einhergehen, die denen im Donbas vermutlich in nichts nachstehen werden. Das Problem diese Verluste an Menschen und Material auszugleichen wird noch grösser werden als jetzt, will man die Fiktion, man befände sich nicht in einem Krieg, aufrecht erhalten.
Es würde mich daher nicht wirklich überraschen, wenn Putin dieser schleichenden Erosion einer Gesellschaft im Frieden mit einer Eskalation begegnen würde, die wenigstens den Personalmangel seiner Armee beheben könnte, indem er die Mobilisierung ausruft. Dann hätte die russische Armee vielleicht eine zweite Chance, diesem Abnutzungskrieg zu entkommen indem eine relativ schnelle militärische Entscheidung des Konflikts gesucht wird.
Damit würde er aber die russische Gesellschaft in Gänze in diesen Krieg involvieren. Ein Schritt, den er vermutlich aus guten Gründen bisher vermieden. hat. Inwiefern er dies dann, selbst bei einem militärischen Erfolg, politisch überleben könnte, steht in den Sternen, fusst die Stabilität des Systems ja wie andere Autokratien auch, auf einer Art Wohlfühldiktatur.