Das mag so sein, dass es solche Aussagen 1989/90 gab. Aber sie sind auf eine völlig andere machtpolitische Konstellation bezogen, als die, in der die erste Stufe der Osterweiterung 1999 dann stattfand. 1989/90 existierte der Warschauer Pakt und die Sowjetunion noch. Es war nicht vorstellbar, dass die NATO WP-Staaten herauslösen und zu sich herüberholen könnte, ganz zu schweigen von Sowjetrepubliken. Weil es so unvorstellbar war, fand es auch nie Eingang in einen Vertragstext, sondern es blieb bei ein paar handschriftlichen Notizen. Das einzige was davon schriftlich konkretisiert wurde war eine Zusage im 2+4 Vertrag, keine NATO-Einrichtungen in den neuen Bundesländern aufzubauen. Daran hält sich Deutschland bis heute.
1997 verzichteten Russland und die NATO wechselseitig auf ein Vetorecht gegenüber Handlungen der Gegenseite. In der NATO-Russland-Grundakte von 1997 heißt es:
"Die Bestimmungen dieser Akte räumen der NATO oder Russland in keinerlei Hinsicht ein Veto-recht über die Handlungen der jeweils anderen Seite ein, noch beeinträchtigen oder beschränken sie die Rechte der NATO oder Russlands auf unabhängige Entscheidungsfindung und unabhängiges Handeln. Sie dürfen nicht als Mittel zur Beeinträchtigung der Interessen anderer Staaten dienen."
(Quelle: https://www.nato.int/cps/en/natohq/official_texts_25468.htm?selectedLocale=de)
Spätestens mit diesem von beiden Seiten unterzeichneten Akte waren die angeblichen Zusagen aus den 2+4 Verhandlungen obsolet und höchstens noch von historischem Interesse. Denn die Situation, auf die sie sich bezogen, ein in zwei rivalisierende Machtblöcke gespaltenes Europa, existierte nicht mehr. Russland hatte zu dieser Zeit eine Art Beobachterstatus bei der NATO und sah in dieser keinen Feind mehr. Es wurde sogar die Idee eines NATO-Beitritts Russlands ins Spiel gebracht.
Selbst noch 2004, als es bereits um den Beitritt der ehemaligen Sowjetrepubliken Estland, Lettland und Litauen ging, sagte Putin in einer Pressekonferenz mit Bundeskanzler Schröder:
"Wir haben keine Besorgnis bezüglich der NATO-Erweiterung bekundet. ..Vom Standpunkt der Sicherheit her muss man sich keine übermäßig großen Sorgen wegen der NATO-Erweiterung machen."
(Quelle: https://www.dw.com/de/putin-russland-wegen-nato-erweiterung-nicht-%C3%BCberm%C3%A4%C3%9Fig-besorgt/a-1162947)
Diese Aussagen können wohl kaum durch Erinnerungen an und Notizen über Zusagen, die 14 Jahre vorher in einem ganz anderen Zusammenhang (2+4 Verträge) und ohne NATO-Beteiligung gemacht wurden, aus der Welt geschafft werden. Es ist undenkbar, dass die Sowjetunion sich 1989 auf die Zusage eines deutschen Außenministers über das künftige Verhalten der ganzen NATO, zu denen dieser überhaupt nicht befugt war, verlassen hätte, wenn sie diesem Punkt seinerzeit irgendeine Bedeutung zugemessen hätte. Kein NATO-Gremium hat sich je mit dieser weitgehenden Selbstbeschränkung befasst und schon gar nicht Derartiges beschlossen. Die Idee, dass die Sowjetunion und der Warschauer Pakt verschwinden und sich WP-Staaten und sogar Sowjetrepubliken der NATO anschließen könnten war 1989 noch absolute Fiktion. Moskau hat sich erst an dieses sogenannte "Versprechen" erinnert, als die Osterweiterung längst vollzogen war.