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  • Ignoramus-et-Ignorabimus

mehr als 1000 Beiträge seit 07.11.2017

'dass es eine Grenze dafür gibt...'

dass es eine Grenze dafür gibt, wie weit die Vereinigten Staaten und die Nato in der Konfrontation mit Russland gehen werden, und dass es Grenzen für die Waffen, das Geld und die politische Unterstützung gibt

Der Artikel in der New York Times ist, im Gegensatz zu Rötzers eingeflochtenen propagandistischen Bemühungen, durchaus nachvollziehbar, und gibt ein Stück weit eben den Diskurs wieder, der sich bei den Unterstützern der Ukraine ja auch entwickelt.

Das tut er aber seit dem Beginn des russischen Angriffskrieges, und verläuft eben entlang der Optionen, die sich aus dem Kriegsverlauf in der Ukraine ergeben. Das spiegelt sich auf der anderen Seiten in der Anpassung der erklärten und impliziten Kriegsziele Russlands.

So war zu Beginn des Krieges nicht absehbar, wie weit die Ukraine dem Angriff standhalten kann, und entsprechend waren auch die Unterstützungsziele für die Ukraine auch kurzfristig, und nahezu ausschliesslich darauf gerichtet, die Ukraine dabei zu unterstützen, das erste Momentum des russischen Angriffs zu überstehen. Dies war keine strategische Unterstützung, das war Krisenintervention.

Aber auch bereits da waren Grenzen der Unterstützung klar abgesteckt. Man erinnere sich an die Diskussion um Flugverbotszonen, oder die klare Ansage, dass die Nato nicht direkt mit Truppen eingreifen würde, solange kein Nato Territorium angegriffen würde.

Nach nunmehr 3 Monaten des russischen Angriffs hat sich die Situation weiter entwickelt und auch ein Stück weit geklärt. Zum einen wird aus militärischer Sicht klarer, wo die Grenzen der russischen Möglichkeiten, aber auch die der Ukrainer liegen. Politisch zeichnet sich ab, welche Möglichkeiten und Grenzen der Versuch, Russland durch Isolation und Sanktionen unter Druck zu setzen, hat.

Dadurch wird die Frage nach den strategischen Zielen der Unterstützung der Ukraine tatsächlich auch konkreter, und inhaltlich relevanter, weil sie sich direkt darauf auswirkt, wie und mit was die Ukraine unterstützt werden soll. Und da stehen meiner Ansicht nach mehrere Ziele, die sich zwar nicht gegenseitig ausschliessen, aber doch andere Schwerpunkte nahelegen, zur Diskusssion.

Die erste wäre, dass Russland keinen Vorteil aus seinem Angriffskrieg ziehen darf, da dies einerseits Präzendenzen schaffen würde, und man andererseits die Fehler von 2014 nicht wiederholen will. Es würde faktisch bedeuten, entweder militärisch oder mit Verhandlungen den Status Quo Ante vom 23.2. wieder herzustellen.

Da nicht zu erwarten ist, dass sich die russische Seite ohne Druck auf eine solche Lösung einlassen würde, müsste die Ukraine in die Lage versetzt werden, besetzte Gebiete zurück zu erobern. Dazu müssen aber die Offensivfähigkeiten der ukrainischen Armee mit schwerem gepanzertem Gerät ausgebaut werden. Dies hat aber, selbst wenn man sich auf vorhandene Mittel aus den Beständen beschränkt, einen Vorlauf von Monaten, weil ja auch Liefer- und Wartungsketten für die Geräte aufgebaut werden müssen.

Das zweite mögliche Ziel wäre die dauerhafte Schwächung der russischen Armee, so dass sie zu ähnlichen Operationen wie in der Ukraine für die nächsten Jahre nicht mehr in der Lage ist. Das würde rein militärisch einen Abnutzungskrieg bedeuten, der jeden russischen Geländegewinn und die Besatzung der eroberten Gebiete so aufwändig und kostspielig macht, dass ihre Offensivfähigkeiten sich erschöpfen. Insbesondere auch dann wenn durch Technologieembargos die russische Rüstungsindustrie Schwierigkeiten hat, zeitnah adäquaten Ersatz für die Verluste zu liefern. Dieses Ziel wäre also insgesamt eine Fortsetzung der jetzigen Art der Unterstützung auf längere Sicht.

Die dritte Alternative wäre in gewisser Weise eine Erweiterung des ersten, indem das Ziel wäre, die Ukraine in den Grenzen von 2014 wieder herzustellen. Der Angreifer würde dabei nicht nur nichts gewinnen, sondern bereits einverleibte Gebiete wieder verlieren. Es wäre also eine Art Abschreckungsstrategie. Dies wäre ohne Zweifel die blutigste, langwierigste und politisch riskanteste Variante.

Nicht nur würde das bedeuten, dass man die Ukraine zwingend mit modernen westlichen Systemen ausstattet, für die ausgebildet werden muss, und für die Wartungs- und Lieferketten errichtet werden müssen. Und die in einer Menge verfügbar sein müssten, die den Einstieg in eine Art Kriegswirtschaft notwendig machen würde.

Es würde aber fast zwangsläufig auch auf russischer Seite zumindest eine Eskalation dahingehend bedeuten, dass sie eine allgemeine Mobilisierung nicht mehr vermeiden kann, und dies vermutlich auch innenpolitsch einfacher vertreten kann. Ob dann unter diesen Voraussetzungen das Ziel der Rückeroberung des Donbas und der Krim überhaupt noch unter vertretbaren Kosten möglich wäre, sei einmal dahingestellt.

Auf alle Fälle aber wäre dies nicht kurzfristig erreichbar. Das würde Jahre an Vorbereitung erfordern. Insofern halte ich diese Option im Moment für wenig realistisch. Sie stellt in gewisser Weise aber eine langfristige Drohkulisse dar, sollte sich Putin entscheiden, den Konflikt einzufrieren und sich auf einen Diktatfrieden mit der Ukraine versteifen.

Ich denke, unabhängig davon, welche dieser strategischen Optionen sich nun durchsetzen wird, es wird nie nur um die Wünsche der Ukraine gehen können. Niemand kann einen Krieg führen, ohne Rücksicht auf die wirtschaftlichen Möglichkeiten und ohne Rücksicht auf die Unterstützung der Bevölkerung zu nehmen. Das kann weder Putin, noch die Ukraine, noch können dies die westlichen Unterstützer der Ukraine.

Und ich sehe in der Beziehung auch keine wesentlichen Unterschiede zum Beginn des Krieges. Eine direkte militärische Konfrontation mit Russland und eine Ausweitung des Krieges zu einem direkten Nato-Russland Konflikt ist nicht in unserem Interesse. Sowenig wie es in unserem Interesse ist, unsere Volkswirtschaften durch übereilte Sanktionen nachhaltig zu schädigen Es ist aber auch nicht in unserem Interesse ein aggressives Russland einfach gewähren zu lassen. Insofern denke ich eben, wird die Unterstützung der Ukraine von diesen beiden Rahmenbedingungen bestimmt. Unabhängig davon was die Ukraine möchte.

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