Ja, es gibt einen beknackten Zeitgeist. Wobei man dazu sagen muss, dass Zeitgeist eigentlich immer beknackt ist, weil er nicht auf durch intensives Nachdenken gewonnenen Einsichten beasiert, sondern eben Mode ist. Heute hat alles "nachhaltig" zu sein, ohne dass jemand hinterfragt, was dieser Begriff eigentlich genau bedeuten soll. Und Digital ist immer gut, löst alle Probleme und ist auch immer nachhaltig. Und...
Wer sich gegen den Zeitgeist stellt, läuft Gefahr, ein Rassist zu sein. Wenn gerade mal nicht zu übersehen ist, dass der Begriff "Rassist" einfach nicht passt, dann ist man eben ein "Kulturrassist" - ein besonders bekloppte Wortschöpfung. Aber so ist Zeitgeist nun mal. Es gibt keine Schwarmintelligenz, nur Schwarmkonformismus.
So gesehen steckt hinter den Medien - ob nun öffentlich-rechtlich oder privatwirtschaftlich organisiert - kein böser Mann, der eine Agenda verfolgt. Die Medien greifen Moden einfach auf (und verstärken sie damit automatisch), gerade so, wie ein Pop-Sender immer wieder die gleichen Songs - diejenigen, die am beliebtesten sind - rauf und runterdudelt. Damit erhält man sich die Reichweite.
Teil des Zeitgeistes ist heute leider ein rigider Moralismus. Und auch der hat natürlich nichts mit guten Argumenten, sondern mit einer neuen Lust am Konformismus zu tun. Neuerdings müssen die Menschen wieder erzogen werden: zu umweltgerechtem Verhalten, zum Nichtrauchen, zum Gebrauch irrer Sprachverdrehungen und vielem anderen mehr. Dies steht in denkbar starkem Kontrast zum Prinzip der freien und offenen Gesellschaft, wo das Individuum Vorrang vor dem Kollektiv hat.
Ich empfinde es immer als wohltuend, wenn Individuen sich ihr im Grundgesetz verbrieftes Recht nehmen, dem Zeitgeist vor den Koffer zu scheißen. Ganz egal, was sie sagen, sie sagen damit immer auch: "Ich darf das, habt ihr das schon vergessen? - Du darfst es übrigens auch...." Das darf ruhig auch geschmacklos sein, vielleicht so wie der Jesus-Klorollenhalter, den die Titanic mal als Werbegeschenk für Neuabonnenten anbot.
Das muss man aber trennen von politischer Propaganda. #allesdichtmachen ist politische Propaganda. Denn die Aktion ist keine Kunst, auch keine geschmacklose, sondern sie vermittelt eine eindeutige politische Botschaft, die ist: Habt euch ml nicht so mit dem Coronavirus - einfach alles wieder aufmachen, und das Problem erledigt sich von selbst. Das ist nicht satirisch gemeint oder so, sondern leider todernst. Welche Folgen eine solche Politik hat, kann man derzeit in Brasilien und in Indien bestaunen.
Natürlich haben die Schauspieler das Recht, ihre Meinung zu äußern, wie sie wollen. Aber die Tatsache, dass sie gegen eine Mehrheitsmeinung antreten, dass sie sich also anti-konformistisch positionieren, bedeutet nicht, dass man sie inhaltlich nicht kritisieren darf.