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  • archenoe

mehr als 1000 Beiträge seit 05.02.2004

Windmacher blasen in eine Richtung

Der Wind bläst von beiden Seiten nur in eine Richtung.

Sowohl die Satirefilmchenmacher*innen, deren künstlerische Verarbeitung der staatlichen Maßnahmen fast allen zu bräsigen, bisslosen und humorfreien Statements missraten sind, als auch die Kritiker*innen der Satirefilmchenmacher*innen, die im typisch moralinsauren Empörungsmodus nur die ethisch-moralischen Fallen entdecken können, die sich die Filmchenmacher*innen selbst gestellt haben, verfolgen dasselbe Hauptziel. Deshalb können die selbst ernannten empörten Moralwächter*innen dieses Ziel auch nicht kritisieren, denn dann müssten sie sich selbst kritisieren.

Die Maßnahmensatiriker*innen wollen genau wie die Kritiker*innen der Maßnahmensatiren zurück zur demokratisch legitimierten kapitalistischen Normalität, weil beide an die Freiheit und Glückseligkeit dieser Normalität ganz fest glauben.

Die Erstgenannten wollen das sofort, die Zweitgenannten später. Der Unterschied der beiden Gruppen besteht nicht im Ziel, sondern in der Risikoabschätzung. Die Satiriker*innen schätzen das Risiko als gar nicht vorhanden oder relativ gering oder als vertretbaren Kollateralschaden ein. Die moralisch-ethisch komfortabelste Position ist dabei die, gar kein Risiko zu sehen. Die Kritiker*innen der Satireversuche schätzen das Risiko als extrem hoch oder zumindest hoch, auf jeden Fall aber als moralisch-ethisch nicht vertretbar ein.

Deshalb sind die einen für die möglichst sofortige Aufhebung aller Pandemiemaßnahmen oder zumindest für erhebliche Lockerungen und die anderen für erhofft kurzfristige Verschärfungen der Maßnahmen. Beide aber wollen zurück in die Normalitätsseligkeit.

Blind sind beide. Beide sehen nicht den Zusammenhang der Pandemie mit der von ihnen ersehnten demokratisch-kapitalistischen Normalität, die die Pandemie wesentlich erzeugt hat und die nächste vorbereiten wird. Beide sehen nicht die strukturelle Unfähigkeit der politischen Klasse, die Pandemie einzudämmen, sondern nur Unfähigkeiten, die an einzelnen Politiker*innen oder Parteien liegen, nicht am System selbst. Die Satiriker*innen halten viele der Maßnahmen oder alle für falsch, die Kritiker*innen der Satireversuche ebenfalls. Erstgenannte wollen deshalb möglichst keine Maßnahmen, zweitgenannte wollen andere, kurzfristig deutlich schärfere.

Ihre Ideologie ist im Kern dieselbe - Verherrlichung der demokratisch-kapitalistischen Normalität. Damit treten sie beide für Produktions- und Konsumtionsverhältnisse ein, die nur gestatten, die darin immanent vorhandenen Gefahren und Zumutungen zu leugnen, zu verharmlosen, wahrzunehmen oder zu dramatisieren, nie aber die gefährlichen Verhältnisse selbst abzuschaffen. Beide sind Systemgefangene. Sie unterscheiden sich gar nicht im Ziel, sondern nur im Weg dahin.

Das ist aus meiner Sicht das eigentliche Elend des derzeitigen Entwicklungsstandes der herrschenden Verhältnisse. In der Pandemie tritt dieses Elend nur stärker hervor.

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