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560 Beiträge seit 11.02.2000

Ein Beitrag von Vorgestern....

von Vorgestern schrieb am 16. Dezember 2002 4:25

> in der alten Metapher gesprochen, es sind die Amis, die vor Brüssel
> stehen.
*****

Falsch. Richtig ist: die Amis sind bereits in Brüssel und geben dort
(in der NATO) den Ton an. Die EU ist für die USA nicht von Bedeutung. 

***** 
> Richtig,
> die junge alte EU braucht Zeit, sich zu konsolidieren, grade jetzt
> nach den neuen OST-Erweiterungen...
*****

Falsch. Richtig ist: bis 05/2004 passiert erst mal GAR NICHTS
(abgesehen von der finanziellen Belastung der Nettozahler). Eine
anschliessende Konsolidierung wird es nicht geben, da sich mit
dieser Erweiterungsrunde die EU gründlich verändern wird - da werden
sich noch einige Leute wundern, in welche Richtung die EU driftet,
wenn die EU im Osten ganz neue Nachbarn bekommt. 

*****
> Die Amis selbst, die uns hier reinreden wollen, würden momentan als
> hypothetischer Beitrittskandidat die wichtigsten Kriterien nicht
> erfüllen, ökonomisch, rechtlich!... 
*****

Wie bitte? Die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der USA liegt nicht
nur weit über dem EU-Durchschnitt, sondern auch weit vor der
Leistungsfähigkeit Deutschlands.
In Bezug auf rechtliche Fragen solltest du erst mal folgenden
Unterschied begreifen: wie die USA mit Deutschland und anderen
"militärisch zu vernachlässigenden Grössen" oder den sogenannten
"Schurkenstaaten" umgehen, hat noch lange nichts mit der
Rechtsauffassung im Inland zu tun. 
Was die Individualrechte betrifft, sind die USA (seit über 200
Jahren) freiheitlicher als du dir vorstellen kannst.

*****
> DIE müssen doch wohl heute
> zuallerst abgelehnt werden als "Ratgeber". Das ist ja absurd. (Sollen
> meinetwegen "nach haus telefonieren", dann aber auch gehen. Wer
> hindert sie daran? Oder anders gefragt, wer will, daß die hier derart
> Einfluß nehmen? Gar von hier aus Angriffskriege führen? Nix gegen
> Ami-Bürger die gerne hier leben, aber die Ami-Militärs müssen hier
> schleunigst abziehen. Das ist überfällig!)
*****

Jetzt aber mal ganz langsam für dich zum Mitdenken:
wo wären Deutschland und die EU jetzt, wenn es nicht über 50 Jahre
lang die Schutzmacht USA gegeben hätte? Woher nimmst du dir das
Recht, die Ami-Militärs nach Hause zu schicken?

Jetzt noch mal was zum Thema Türkei und EU-Beitritt:
die Interessen der USA, die Türkei in die EU "hineinzutelefonieren",
liegen natürlich ausschliesslich im militärischen und geopolitischen
Bereich. 

Die geografische Lage der Türkei ist in vielerlei Hinsicht bedeutsam
(mit direkter Nachbarschaft zu den Mittelmeerstaaten, zu den
(Noch-)GUS-Staaten und nicht zuletzt zu den Ölfeldern im Golf).
Darüber hinaus ist die Türkei das einzige Land, dessen muslimische
Bevölkerung (halbwegs) westlich orientiert ist und das sogar in Bezug
auf die Nahost-Politik eine Partnerschaft mit Israel eingegangen ist.

Stell dir doch einmal vor, was passiert, wenn die Lage in der Türkei
kippt? 
Die Türkei hat viele "nette" Nachbarn, die nur allzugerne die
Türkische Bevölkerung gegen Amerika, Deutschland etc. aufhetzen
möchten und die auch entsprechend Gehör finden werden, wenn der
Demokratisierungsprozess vor verschlossenen EU-Türen und somit in
einer Sackgasse endet.

Was meinst du, wie dein Auto ohne das Öl aus den Golfstaaten fährt,
wenn es in direkter Nachbarschaft zu diesen Ländern keine
Stabilisierungsmächte wie die Türkei oder Israel gibt?

Die Amis haben schon lange begriffen, dass es auf dieser Welt um
Ressourcen, d.h. momentan noch um Öl (aber immer mehr auch um Wasser)
geht - als Telepolis-Leser bekommt man dies schliesslich mehrmals pro
Woche (in durchweg Amerika-feindlichen Artikeln) bestätigt.

Die Amis handeln also richtig, wenn Sie die Türkei so stark wie
möglich an den Westen binden wollen. Wenn du dich jetzt mal an die
Rollenverteilung auf dieser Welt erinnerst, wirst du auch wissen wie
die einzelnen Beteiligten für ihre Sicherheitsansprüche bezahlen: 
- die Amis bezahlen in Form eines wahnwitzigen Verteidigungs-Etats
- die EU bezahlt über direkte oder indirekte Wirtschaftshilfe

Während die Amis also über den entsprechenden Druck ihre
Vorstellungen durchsetzen, versucht es die EU immer wieder mit der
"Scheckbuch-Diplomatie". Wie erfolgreich diese Diplomatie jedoch
insbesondere in Bezug auf bewaffnete Konflikte ist, hat man ja in
Ex-Jugoslawien bereits gesehen.

Zum Abschluss noch etwas Nachhilfe zum Thema: "Warum wurde die EU
überhaupt gegründet?"

Fakt ist: die EU basiert auf der "Europäische Gemeinschaft für Kohle
und Stahl (EGKS)". Die EGKS wurde auf Druck Frankreichs initiert und
hatte AUSSCHLIESSLICH das Ziel, die Deutsche Stahl- und
Kohleindustrie als "Rüstungskammer" Deutschlands unter Kontrolle zu
halten.
Auch die weiteren Schritte zur politischen Integration wurden
hauptsächlich durch den Gedanken getrieben, einen innereuropäischen
Krieg unmöglich zu machen. 
Leider haben bisher nur die Briten kapiert, dass Europa nicht auf dem
Mond liegt und das die Herausforderungen der nächsten Jahrzehnte im
Süden und im Osten von Europa liegen.

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