Die '68-er hätten wie weiland Lenin den "Umsturz aller Verhältnisse" anstreben sollen? Nachdem gerade da seit 50 Jahren feststand, dass diese ihre Versprechen nicht halten konnte? Und überdies dieser Umsturz nicht ohne fünfjährigen Bürgerkrieg zu haben ist? Das kreidet er ihnen an? Ist das arg falsch, wenn ich ihn da in RAF-Nähe sehe?
Es ist der alte Streit zwischen Karl Marx und Friedrich Engels. Letzterer meinte, das sei ja nun schon ein Gewinn, wenn die Arbeiter Wahlrecht hätten. Marx hingegen war der Ansicht, das Kapital in seinem Verwertungszwang werde sich nicht durch ein Parlament ausbremsen lassen. Wir wissen heute: meist hat Marx recht, aber in Ausnahmefällen auch mal Engels. Wenn eine Truppe beisammen ist, die sich nicht verdummen lässt und konsequent auf ihr Ziel zumarschiert, kann sie auch in einer bürgerlichen Demokratie sehr viel erreichen. Was nun immer so bleiben wird: ein System, das von sich aus Gerechtigkeit erzeugt, wird es niemals geben. Man wird immer dafür kämpfen müssen.
Was war denn vorher? Vergiftete Flüsse mit pausenlosem Fischsterben. Eine Luft, bei der man keine Wäsche auf den Balkon hängen konnte, weil sie sonst rabenschwarz wurde. Überall Nazis in den leitenden Posten. Massive Diskriminierung von sexuellen Minderheiten. Behinderte wurden in Hinterzimmern versteckt. Mit den '68-er wurde es dann besser: 175 und 218 wurden abgeschafft, es wurden Durchbrüche in der Sozialgesetzgebung erzielt, darunter die Mitbestimmung und viele andere Verbesserungen im sozialen Bereich. Man hatte eine Stufe der Zivilisation erreicht, die es vorher nie gab und die man heute schmerzlich vermisst. Deshalb ist ihr Ansehen so groß, weil sie in bisher unbekanntem Umfang die Bälle ins Tor gehauen haben. Wollen wir mal festhalten.
Wadenbeißer Wengraf muss da irgendwie das Haar in der Suppe finden. Sie, die
'68-er seien schuld an der Plattmachung der DDR. Die wurde massiv kritisiert, aber in der Kohl-Republik hatte man da keine Chance. Die Treuhand wickelte einfach alles ab und ihre Chefin, Birgit Breuel, war sicher alles andere als eine '68-erin. Da stimmt gar nichts.
Dann am Ende outet er sich als Corona-Schwurbler. Das musste ja kommen. Ist inzwischen nur noch peinlich. Vom Great Reste keine Spur, Bill Gates sitzt nicht in der Blutbahn und Klaus Schwab nicht unter dem Kabinettstisch. Und ja, die Linken hatten recht, die Politik Bolsonaros abzulehnen.
Bitte mehr Artikel von diesem Wengraf. Die erlauben ein paar längst überfällige Klarstellungen.
Gruß Artur