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  • Lars Lonte

97 Beiträge seit 09.04.2007

Spartas Wirtschaftssystem: Schwundgeld statt Handels-Kapital: Fliess-Prinzip!

 5. Die griechische Litteratur
über das Entwickelungsproblem der Völker.

http://www.vergessene-buecher.de/band1/bd1-s249bis318.html#einzelstaa
ten

II. Agrarstaaten.
α) Sparta. Bis etwa um die Mitte des 8. Jahrhunderts war es den
Spartanern gelungen, das untere Eurotasthal zu erobern und von hier
aus noch Messenien und Teile von Arkadien und Argolis zu gewinnen.
Mitten in dieser kriegerischen Eroberungszeit haben die Spartaner
sich ihre Staatsverfassung gegeben. Die Bevölkerung war in drei
streng geschiedene Klassen eingeteilt: die Spartiaten, die Periöken
und Heloten. Die Spartiaten erhielten als Eroberer den fruchtbarsten
Teil des Landes, welches in 4500 und später in 9000 gleich grosse
Ackerlose aufgeteilt wurde. Dieser Grundbesitz war unveräusserlich,
unverpfändbar und ging geschlossen vom Vater auf den ältesten Sohn
über.  Die alten Landbewohner wurden als Staatssklaven (Heloten)
verpflichtet, das Land der Spartiaten zu bebauen. Die städtischen
Bewohner (Periöken) waren persönlich frei, aber zu Steuerleistungen
an den Staat verpflichtet, ohne politische Rechte, aber mit der
Verpflichtung sich zum Kriegsdienste bereit zu halten. An der Spitze
des Staates standen zwei erbliche Könige, denen fünf Ephoren als
Beirat gegeben waren. Die Entscheidung über die wichtigsten
Angelegenheiten des Staates war der Versammlung der Vollbürger
(Agora) vorbehalten. Die Vorbereitung von Anträgen dieser Art mit der
Gerichtsbarkeit über Kapitalverbrecher lag in der Hand der Gerusia,
deren Mitglieder mindestens 60 Jahre alt waren. Nur der Staat durfte
Gold und Silber besitzen. Den Bürgern war der Besitz von Edelmetall
gesetzlich verboten. Der Güterverkehr sollte sich nur eiserner Münzen
bedienen. Den Spartiaten war eine einfache, streng geregelte
Lebensweise vorgeschrieben. Vom 7. bis zum 20. Jahre erhielten die
Knaben eine staatliche Erziehung in einer Art Kadettenhaus. Vom 20.
bis zum 60. Jahre war der Spartiat zum Heeresdienst verpflichtet. Mit
dem 30. Jahre wurde er Mitglied der Volksversammlung und zur Heirat
verpflichtet. Immer 15 Männer nahmen an gemeinsamen Mahlzeiten
(Syssitien) teil. Nur wer soviel Land hatte, dass er von dessen
Ertrage mit seiner Familie leben und die Naturalbeiträge zu den
gemeinsamen Mahlzeiten leisten konnte, ohne selbst den Pflug zu
führen, war im Vollbesitze der bürgerlichen Rechte. Zur Reise eines
Spartiaten nach dem Auslande bedurfte es der staatlichen Genehmigung.
Fremden musste der Aufenthalt im Lande ausdrücklich gestattet werden,
was nur auf Zeit und Widerruf erfolgte. Die gewerblichen Berufe waren
den Unfreien und Fremden überlassen. Der athenische Krämersinn hat
den hohen Herren am Eurotas aufs Aeusserste misfallen. Die
spartanische Verfassung war so eine Verfassung für ein Volk in
Waffen, gegeben inmitten einer grossen Eroberungsepoche und in fast
ausschliesslicher Beschränkung auf die Verhältnisse der
Naturalwirtschaft. Den Feinden jeglicher Art und also auch dem
„Kapitalismus“ und seinen Folgen sollte durch diese Verfassung der
Weg zum Eindringen in das Vaterland verlegt werden. Lakonien mit
Messenien umfasste im Jahre 432 v. Chr. nach Beloch ein Areal von
8418 Qudratkilometern mit einer freien Bevölkerung von 55'000
Einwohnern und einer unfreien Bevölkerung von 175'000. Mit dieser
Besitzfläche und seiner straffen militärischen Organisation war
Sparta auf der peloponnesischen Halbinsel weitaus der mächtigste
Staat. Und da seine Verfassung die Ausübung einer kapitalistischen
Herrschaft über andere Völker auszuschliessen schien, hatten sich
schon gegen Mitte des 6. Jahrhunderts die meisten peloponnesischen
Staaten mit Sparta freiwillig verbündet. Sie hofften in diesem
Bündnis anscheinend Nichts zu verlieren, sondern nur zu gewinnen. Als
es im Jahre 500 v. Chr. zum Ausbruch der Perserkriege kam, war es
allgemein selbstverständlich, dass Sparta als Vormacht des Peloponnes
den Oberbefehl über die gesamten griechischen Streitkräfte übernahm.
Als Sparta dann im Jahre 404 v. Chr. auch im peloponnesischen Kriege
den Sieg über Athen errungen hatte und in der schweren
wirtschaftlichen Krisis, die damals fast ganz Griechenland
umzustürzen schien, nur allein den Eindruck wohlgeordneter und
wohlgefügter Verhältnisse machte, da begann es in Griechenland
allgemein Mode zu werden, die Verfassung des Agrarstaates Sparta als
eine Musterverfassung zu bewundern. Trotzdem stand gerade jetzt
Sparta schon dicht vor seinem Niedergange.

Es war offenbar etwas Widernatürliches, durch die Verfassung das Land
in der Naturalwirtschaft und in dem Ständestaat mit ehernen Klammern
festhalten zu wollen, während ringsherum neue Veränderungen sich
zeigten.  Da musste die Saat des Misstrauens keimen. Sie zeigte sich
zunächst namentlich in dem Verhältnis zwischen den beiden Königen und
Ephoren. Um dieses Misstrauen zu bannen, wurde von diesen beiden
Spitzen des Staates die spartanische Verfassung allmonatlich
beschworen. Trotzdem kam es schon während der Perserkriege (500 bis
449) zur Absetzung und Ermordung von Königen, und das Jahr 464
brachte einen langwierigen, blutigen Aufstand der Heloten in
Messenien, nach dessen Niederwerfung Sparta doppelt bemüht war, sich
durch eine Art chinesischer Mauer gegen das Eindringen neuer Ideen
und Einrichtungen von Aussen zu schützen. Alles vergeblich! Der
Verkehr der Spartiaten mit den üppigen Persern und asiatitischen
Griechen wirkte verheerend auf die heimischen Sitten zurück. Die
Stadt Sparta soll nach Beloch im Jahre 460 v. Chr. 20 bis 30'000
Einwohner gezählt haben. Der Entscheidungskampf zwischen den beiden
ersten griechischen Handels- und Industriestaaten, Athen und Korinth,
liess sich nicht länger aufschieben. Und darum musste Sparta als
peloponnesische Vormacht die Führung auf der einen Seite übernehmen.
Der von 431 bis 404 dauernde Krieg führte zur Schaffung einer
peloponnesischen Flotte. Dies und die wiederholt schweren Verluste an
Menschenleben auf spartanischer Seite zwangen den Staat, eine
wachsende Zahl von Nichtbürgern in die Armee einzustellen. Namentlich
die Truppen der auswärtigen Garnisonen und die Mannschaften der
Flotte wurden aus freigelassenen Leibeigenen gebildet. Die Spartaner
reichten dabei oft nicht einmal aus, die Offizierstellen zu besetzen.
Gleichzeitig strömten infolge der Siege immer mehr Schätze in Sparta
zusammen. Unaufhaltsam zeigt sich das Eindringen geldwirtschaftlicher
Verhältnisse. Die Bestechlichkeit nimmt immer mehr überhand. Und
schon tastet das Gesetz des Ephoren Epitadeus das Prinzip der
Unveräusserlichkeit des spartanischen Grundbesitzes an. Die
Grundstücke können von jetzt ab durch Testament und Schenkung unter
Lebenden die Hand ändern. Bei alledem nimmt die Zahl der Spartiaten
bedenklich ab. Während man für 432 v. Chr. noch etwa 5000 Vollbürger
schätzen kann, war deren Zahl bis zum Jahre 371 auf 1500
zusammengeschmolzen. Fast die Hälfte der Bürger war verarmt und
konnte an den gemeinsamen Mahlzeiten nicht mehr teilnehmen. Desto
grösser war der Reichtum Weniger. Die allgemeine Unzufriedenheit mit
den bestehenden Verhältnissen wuchs. Im Jahre 399 kommt es zu dem
Aufstandsversuch des Kinadon; der Plan wird den Ephoren verraten und
der Führer mit seinen Anhängern hingerichtet. Durch die vielen
kriegerischen Erfolge waren die Spartaner übermütig und
herrschsüchtig geworden. Sie machen sich deshalb beim Auslande wie
bei ihren Nachbarn sehr verhasst und wecken durch die Besetzung der
Burg von Theben den thebanischen Bauer — die so beliebte Witzfigur
bei den „feineren“ Athenern — zum Freiheitskampfe, in dem bei Leuktra
(371) die Spartaner entscheidend geschlagen werden. Die weitere Folge
war die Verselbständigung des bis dahin von Sparta abhängigen
Messeniens, wodurch die Hälfte der spartanischen Bürger ihres
Grundbesitzes beraubt wurde. In der zweiten Hälfte des 4.
Jahrhunderts sollen 2⁄5 des gesamten Grundbesitzes von Sparta
in Frauenhänden gewesen sein. Sparta, das bis dahin stets durch die
Brust seiner Bürger gegen alle Feinde genügend geschützt war, beginnt
um das Jahr 300 v. Chr. sich durch starke Mauern zu befestigen, um
seine Schätze an Gold und Silber besser zu sichern. Die Schuldenlast
des Volkes nimmt immer mehr zu, die Zahl der Spartiaten immer mehr
ab. Im Jahre 240 v. Chr. waren es nur noch 700 Vollbürger, und der
gesamte Grundbesitz war in den Händen von nur 100 Familien. Der erste
Versuch des Königs Agis IV. zur Beseitigung des herrschend 
gewordenen Kapitalismus durch eine soziale Reform missglückte. Desto
schärfer hat dann der letzte spartanische König Kleomenes IV. im
Jahre 226 v. Chr. durchgegriffen. Er liess die Ephoren überfallen und
töten, 80 der reichsten Bürger verbannen und ihr Vermögen an 4000
Periöken, welche als Vollbürger aufgenommen wurden, verteilen. Die
Schulden aller Art wurden kurzer Hand aufgehoben und die alte
verfassungsgemässe strenge Zucht und Ordnung wiederhergestellt. So
kam es in Sparta 368 Jahre später als in Athen (Solon) zur
Beseitigung des Handels- und Leihkapitalismus. Die Absichten des
Königs, auch die spartanische Hegemonie über die peloponnesische
Halbinsel wiederherzustellen, liessen den achäischen Bund den König
von Makedonien zur Hülfe herbeirufen. Kleomenes wurde 221 bei
Sellasia geschlagen und floh nach Aegypten. Die Kapitalisten wurden
wieder nach Sparta zurückgeführt. Bei der wachsenden Unzufriedenheit
des Volkes aber kam es im gleichen Jahre noch zur Tyrannenherrschaft
— 339 Jahre später als in Athen. Unter dem unheilvollen Einflusse der
Beziehungen zu den benachbarten Handels- und Industriestaaten wütete
von da ab der Bürgerkrieg bis zum Einzuge der Römerherrschaft in
Griechenland (146 v. Chr.)

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