kleinrudi schrieb am 16.04.2022 16:53:
Das ist das "Vergängliche". Was ist aber mit der "unsterblichen Seele", die in manchen Religionen als "Wahrheit" angesehen wird?
Es gibt Verletzungen des Gehirns, die dazu führen, dass der Verletzte die Namen aller Tiere vergisst, sich aber an die Namen von Pflanzen erinnern kann.
Es gibt Verletzungen des Gehirns, die dazu führen, dass der Verletzte die Namen aller Pflanzen vergisst, sich aber an die Namen von Tieren erinnern kann.
Es gibt Verletzungen des Gehirns, die dazu führen, dass der Verletzte alle einstmals gelernten Frendsprachen vergisst, nur nicht seine Muttersprache.
Es gibt Verletzungen des Gehirns, die dazu führen, dass der Verletzte seine Muttersprache vergisst aber alle einstmals gelernten Fremdsprachen noch beherrscht.
Es gibt Verletzungen des Gehirns, die dazu führen, dass der Verletzte, der einstmals Schokolade liebte und Vanille nicht ausstehen konnte, nun Vanille liebt und Schokolade nicht ausstehen kann.
Es gibt Verletzungen des Gehirns, die dazu führen, dass ein einstmals aggressiver Mensch friedfertig wird - oder umgekehrt.
Für jede noch so minimale und detaillierte Fähigkeit oder Eigenschaft von uns Menschen, für jede Nuance unserer Persönlichkeit, gibt es eine mögliche Verletzung des Gehirns, die diese Fähigkeit oder Eigenschaft beeinträchtigt oder ganz abschaltet oder die jede beliebige Nuance unserer Persönlichkeit oder uns als Person komplett verändert.
Aber trotzdem, wenn bei unserem Sterben nicht nur ein Teil unseres Gehirns zerstört wird, sondern das komplette Organ (die genaue Bestimmung des Zeitpunkts mal außen vor gelassen), dann sollen wir plötzlich auch nach unserem Tod noch Vanille lieben, unseren Hund erkennen und Oma klar und deutlich verstehen können?
Das soll dann unsere "Seele" machen, die während unseres diesseitigen (und also EINZIGEN!) Lebens bei all den nur partiellen Verletzungen des Gehirns tatenlos zuschaute und keinen Finger krümmte, um die nur partiellen Ausfallerscheinungen zu kompensieren?
HALT!
Das Gehirn kann manchmal sehr wohl verlorengegangene Funktionen durch andere Hirnareale kompensieren! Damit sind wir aber noch immer im Bereich des Materialismus, der NICHT haltbar ist. Nur: Die Rede von einer individuellen und doch vom Körper unabhängigen Seele ist eben auch nicht haltbar.
Die Lösung liegt in der Transzendentalphliosophie (Kant/Fichte), die rein rational die Voraussetzungen untersucht, die immer schon erfüllt sein müssen, wenn wir eine Erfahrungswelt, also die Trennung in Subjekt (das Erkennende) und Objekt (das Erkannte, die Materie, die angeblich subjektunabhängige Realität) haben.
Das Problem mit der Transzendentalphilosophie: Sie ist nicht popularisierbar. Jeder Versuch, sie in einem Forumsbeitrag auf Telepolis abzuhandeln, ist von Anfang an zum Scheitern verurteilt.