Ansicht umschalten
Avatar von roko
  • roko

mehr als 1000 Beiträge seit 10.05.2001

Kann ich im Großen und Ganzen bestätigen,

dass es damals Pläne für einen Einmarsch des Warschauer Paktes in
Polen gab.

Ich war damals etwas älter als Herr Dudek und lebte in einem anderen
Ostblock-Staat (also nicht in Polen und nicht in der DDR), und hatte
persönlich Kontakt (Vaters Freund) mit einem General, der in einer
Runde offen über die Einmarschpläne in Polen sprach. Die
kommunistischen Führer in allen Ostblock-Staaten waren sehr nervös
und hatten das Militär mit der Ausarbeitung von Plänen und
Einmarschvorbereitungen beauftragt.

Der kurz vor seiner Pensionierung stehende General, der 1968 in der
Tschechoslowakei dabei gewesen war, hoffte, dass es dieses Mal nicht
soweit kommt und die Polen die Sache allein regeln können.

Um so größer war dann bei Allen die Erleichterung als Jaruzelski den
Ausnahmezustand ausgerufen hat: beim General, weil sein Sohn nicht
unbedingt dieselbe Erfahrung wie er selbst 1968 machen musste, und
bei meinen Eltern, deren einziger Sohn kurz vor dem wehrfähigen Alter
stand.

Ich selbst habe den Ernst der Lage damals nicht begriffen, kann mich
aber erinnern, dass der alte General von der schrecklichsten
Erfahrung in seinem Leben sprach. Er hätte nichts dagegen, gegen die
NATO einen Krieg zu führen, aber gegen das Volk eines Bruder-Landes?
Dafür waren 1968 weder er noch seine Soldaten vorbereitet, wobei es
weniger um Straßenschlachten mit nahezu unbewaffneten Zivilisten
ging, sondern hauptsächlich um die psychologische Wirkung während und
vor allem nach dem Einsatz.

Seine Einschätzung war, dass die Lage in Polen im Herbst 1981 um
einiges ernster als der Prager Frühling war. Da die Russen (UdSSR)
und die Deutschen (DDR) wegen historischer Vorbelastung kaum als
"Mirotworzi" (Friedenstruppen) in Polen in Frage kamen, hätten die
restlichen Warschauer-Pakt-Staaten umso eine größere Rolle spielen
müssen. Außerdem wurden "die staatsfeindlichen Elemente" in Polen
durch den Westen -- vor allem durch den Vatikan -- unterstützt, was
1968 in der Tschechoslowakei nicht der Fall war. Man befürchtete,
dass Polen durch eine Invasion von außen endgültig dem Sozialismus
abschwören konnte, was zwangsläufig der Anfang vom Ende des ganzen
Ostblocks bedeutet hätte.

Dies passierte auch 8 Jahre später, aber eine Invasion wie 1968 hätte
den Zerfallsprozess noch mehr beschleunigt.

lg, roko
Bewerten
- +
Ansicht umschalten