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Avatar von /Rak
  • /Rak

mehr als 1000 Beiträge seit 26.10.2001

Mobilität ist kein Selbstzweck..

.. und auch wenn es durchaus hier und da noch die Sorte Mensch gibt, die ihre Fahrwerkzeuge als Schwanzverlängerung und/oder Statussymbol sieht - bei der heutigen Mehrheit ist das mittlerweile oft gar nicht mehr der Fall.

Die investiert dann auch nicht zwischen 50€ bis 500€ pro Monat in ein eigenes Fahrwerkzeug, weil sie das so geil und toll und magisch sexy finden - die brauchen hier einfach ein Auto, mit dem sie von A nach B und vor allem: zur Arbeit kommen. Weil z.B. Umziehen auch keine Option ist. Kinder haben die Freunde und das soziale Umfeld hier, das man besser nicht immer wieder auseinander reißen sollte, möglicherweise hat man Angehörige hier, die man pflegen muss. Der Partner hat einen Job in entgegen gesetzter Richtung. Und man selbst hat z.B. noch ein kleines Häuschen oder eine Wohnung, für man eben anderswo nichts vergleichbares kriegen könnte, würde man die nun Verkaufen. Kurzum: Ohne Führerschein und Auto geht es oft schlicht nicht.
Und die Zeiten, in denen man zum Spaß durch die Gegend fährt, die sind spätestens mit der Inflation und bis zu 2€/Liter Sprit ja eh schon vorbei.

Manchmal habe ich jedenfalls das Gefühl, dass der Autohass bei manchen meiner Mitmenschen fast schon pathologische Züge annimmt..

Planetarsiche Distanzen sind hier ebenfalls irrelavent.
Aus den 626,4 Mrd km. die 2020 in Deutschland mit PKW gefahren wurden, da werden nämlich im Mittel 13323 km pro PKW und Jahr. (Quelle: selbes Dokument). Macht dann gerade mal eben 36,5km pro Tag - und damit 18,25km Distanz, die ein moderner Mensch täglich mit einem Auto zurück legt im Schnitt. Aber selbst wenn das Auto nur zum Fahren zur Arbeit verwendet wird und wenn man an 200 Tagen im Jahr die Arbeit aufsucht, dann sind das nur rund 66km, die man unter der Woche täglich zurück legt - 33km und 33km zurück. Von "planetaren Dimensionen" ist man da doch bisschen entfernt.

Aber eben auch von den Distanzen aus jener Zeit, in der man noch indirekt "an die Scholle gebunden" war - Zeiten, als die Reise in die Stadt für viele Menschen fast ein einmaliges Erlebnis im Leben war, weil man eigentlich so gut wie nie die Gemarkung des eigenen Dorfes verlassen hat. Und im Wesentlichen von Hafergrütze und Brunnenwasser gelebt hat. Weil man sich als Landarbeiter/Knecht nun mal nicht mehr leisten konnte. Selbst das Brot vom Bäcker war da vielerorts oft ein Luxusartikel, den es gut einzuteilen halt. Oder aber man musste in den Städten zu siebt in einer muffigen, kleinen Einzimmerwohnung im Hinterhof leben weil man sich einfach die Miete anderswo in der Stadt nicht leisten konnte. Aber man musste eben in der Stadt leben, in der Nähe des Arbeitsplatzes dort - weil es noch keine allgemeine Mobilität des Volkes gab. Mal eben einen neuen Job suchen, weil der alte Job einfach nur beschissen und von ausbeuterischer Natur war - ohne allgemeine Mobilität damals auch nicht möglich.
Aber auch eine echte Demokratie ist ohne individuelle Mobilität undenkbar. Schon alleine die Anreise zu einer großen Demo wäre ohne sie ja schlicht nicht möglich. Geschweige denn die organisierte, politische Aktivität.

Soll also die die Bevölkerung hierzulande nun etwa mit massiver, struktureller Gewalt wieder auf dieses frühindustrielle Niveau zurück geworfen werden, im Namen der "schönen, heilen Welt"? Meiner Meinung nach sind diese Frontalangriffe auf die allgemeine, individuelle Mobilität Schritte in die Falsche Richtung. Und ein sicherer Weg in den Abgrund.

Und da geht es mitnichten um magische Schwanzverlängerungen und Potenz- und Statussymbole und heilige Kühe auf vier Rädern. Sondern vor allem darum, dass man eben nicht wieder an die heimische Scholle gefesselt wird - mit all den damit verbundenen ökonomischen und sozialpolitischen Nachteilen. Individuelle Mobilität hat eben nicht nur bisschen was mit individueller Freiheit zu tun - sondern auch sehr viel mit einer demokratischen, freiheitlichen Gesellschaftsordnung. Welche wohl viele Verkehrswende- und Klimaaktivisten auch gern mal opfern würden, wenn es nur irgendwie den hehren und hoch moralischen Idealen dienen kann.

Das Posting wurde vom Benutzer editiert (13.05.2023 00:29).

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