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mehr als 1000 Beiträge seit 15.02.2004

Forschen für den Krieg

"Forschen für den Krieg

BRUXELLES - Die Europäische Kommission öffnet erstmals die
gemeinsamen Forschungsetats der Europäischen Union für militärische
Projekte. Bisher fördert die EU offiziell nur zivile Forschung,
Ausgaben für Rüstungsforschung sind nicht erlaubt. Nun soll ab 2007
ein sicherheitspolitisches Forschungsprogramm aufgelegt werden, das
die Trennung zwischen den zivilen und den militärischen Bereichen
aufhebt. Dabei werden zusätzliche Milliardensummen für
wissenschaftliche Arbeiten im Interesse der Rüstungsindustrie bereit
stellt.

Die Vorgaben für die EU-Militärforschung stammen von einer ,,Gruppe
von Persönlichkeiten im Bereich der Sicherheitsforschung", die im
Oktober 2003 einberufen wurde. Dabei handelt es sich um EU-Politiker
(darunter der Deutsche Karl von Wogau, neuer Vorsitzender des
Unterauschusses ,,Sicherheit und Verteidigung" des Europäischen
Parlaments), Rüstungsindustrielle (darunter Vertreter der deutschen
Konzerne Diehl 1) und Siemens 2)) sowie professionelle
Militärberater. An prominenter Stelle gehörten den ,,Persönlichkeiten
im Bereich der Sicherheitsforschung" der deutsche Co-Chef des
Rüstungskonglomerats EADS-Rainer Hertrich an sowie die Leiter des
französischen Rüstungsunternehmens Thales und des britischen Pendants
BAE Systems. Nach deutschen Planungen sollen diese drei Firmen dem
EU-Militär unter dem Kommando einer Dreiergruppe (,,Trirektoire") aus
deutschen, französischen und britischen Militärs die notwendigen
Waffen liefern: ,,Wenn das Trirektoire EU-Militärkoalitionen im Namen
der EU führen wird, dann sollten BAe Systems, EADS und Thales sich zu
einem Trirektoire der europäischen Rüstungsindustrie entwickeln". 3)

Vorgegeben
Die staatlichen und halbstaatlichen Repräsentanten der
westeuropäischen Rüstungsindustrie legten dem
EU-Kommissionspräsidenten Prodi im März 2004 einen Bericht vor, in
dem sie die ,,scharfe Trennung zwischen militärischer und ziviler
Forschung" beklagen und einen angeblichen Mangel ,,an öffentlichen
Mitteln" beseitigt sehen wollen. Gefordert wird ein ,,Europäisches
Programm für Sicherheitsforschung" (EPSF), das zusätzliche Beträge
für die Rüstungsforschung enthalten müsse. Der Bericht verlangt
ferner, die Grenzen zwischen ziviler und militärischer Forschung
aufzuheben, so daß eine ,,Abwandlung und Integration von Technologien
von einem Sektor zum anderen" stattfinden könne. Höhepunkt der
Vorlage für die Kommisson ist die Festsetzung einer Zielsumme, wonach
mindestens 1.000 Millionen Euro jährlich aufzubringen seien -
zusätzlich zu den derzeitigen Forschungsmitteln. Dieses von den
EU-Mitgliedsstaaten aufzubringende Jahresbudget solle künftig noch
weiter aufgestockt werden, ,,um die europäischen Investitionen in die
Sicherheitsforschung (gemeinschaftliche, nationale und internationale
zusammengenommen) dem US-amerikanischen Stand anzunähern".
Schließlich verlangt der Bericht die Einsetzung eines ,,Beirats für
Sicherheitsforschung" mit Vertretern der wehrtechnischen Industrie,
der die strategischen Richtlinien für die Aufstellung eines
Forschungsplans festlegt. Ziel des zivilmilitärischen
Forschungsprogramms solle es sein, ,,die Wettbewerbsfähigkeit der im
Sicherheitsbereich tätigen europäischen Unternehmen zu fördern". 4)

Durchgereicht
Die EU-Kommission hat sich den Forderungskatalog der
Rüstungsindustrie jetzt zu eigen gemacht und an den Rat sowie an das
Europäische Parlament durchgereicht. Fast wortgleich heißt es, die EU
,,sollte bis 2007 ein umfassendes europäisches Programm für
Sicherheitsforschung mit einem angemessenen Haushalt auf den Weg
bringen." 5) Dafür werden die von der Rüstungsindustrie
veranschlagten 1.000 Millionen Euro angesetzt. Auch der geforderte
,,Europäische Beirat für Sicherheitsforschung" soll entstehen und
bereits in diesem Spätherbst seine vorbereitende Arbeit aufnehmen.
Nach Maßgabe der EU-Kommission haben die Mitglieder des Beirats ,,den
Vorschlägen der Gruppe von Persönlichkeiten gebührende
Aufmerksamkeit" zu schenken. 6) Im Vorgriff auf die künftige
Subvention der Rüstungsforschung setzt die Kommission unterdessen
ihre ,,vorbereitenden Maßnahmen zur Sicherheitsforschung" fort. Dafür
stehen seit März erstmals zweistellige jährliche Millionenbeträge für
,,sicherheitsrelevante" Forschung bereit. Die ersten Aufträge werden
demnächst vergeben; zu den Bewerbern gehören Unternehmen aus der
Luft- und Raumfahrtbranche und dem Rüstungssektor.

Eingespeist
Eine Vorreiterrolle bei der Militarisierung von Forschung und
Wissenschaft nimmt die angeblich zivile Weltraumforschung ein. Die
maßgeblich von Berlin vorangetriebene ,,Neugestaltung der
europäischen Raumfahrt" zielt erklärtermaßen darauf ab, die Raumfahrt
einer kriegerischen Nutzung zuzuführen und insbesondere die
notwendige Technologie für eigene Weltraum-Waffensysteme zu
entwickeln. 7) Die ,,zivilmilitärische" Forschung hat in der
Raumfahrt bereits seit Juni diesen Jahres einen ersten
institutionellen Rahmen: Die EU-Kommission hat ein
Sachverständigengremium für ,,Raumfahrtpolitik und Sicherheit"
geschaffen, das für stärkere Kooperation ,,bei den verschiedenen
Anwendungen, sowohl im zivilen als auch im Sicherheitsbereich" sorgen
soll. 8) Bestandteil des neuen Gremiums ist das in erster Linie
militärisch genutzte Satellitenzentrum der EU im spanischen Torrejón.

Die deutsche Außenpolitik hat sich rechtzeitig entscheidenden
Einfluss auf die Militarisierung der europäischen Forschung
gesichert: Der neue EU-Kommissar für Industrie und Unternehmen,
Günter Verheugen, ist künftig auch für die Bereiche Weltraum und
,,sicherheitsbezogene Forschung" zuständig. 9)

1) s. auch Zwei Wege - Ein Ziel
2) s. auch Sog der Militarisierung
3) s. auch Das Ende einer ,,Zivilmacht" und Kriminell
4) s. European Commission: Research for a Secure Europe – Report of
the Group of Personalities in the field of Security Research, ISBN
92-894-6611-1, Luxembourg: Office for Official Publications of the
European Communities, 2004. Auf der Website der Kommission verfügbar:
europa.eu.int
5) s. EU-Konzept für Sicherheitsforschungsprogramm (IP/04/1090);
europa.eu.int 09.09.2004
6) s. Mitteilung der Kommission: Sicherheitsforschung. Die nächsten
Schritte (KOM (2004) 590 endgültig); europa.eu.int 07.09.2004
7) s. auch Weltraummacht des 21. Jahrhunderts und Alles für den Krieg
sowie Teilhabe
8) s. Europäische Raumfahrtpolitik: Experten kommen zur Sache
(IP/04/718); europa.eu.int 07.06.2004
9) s. auch Das Diktat von Berlin und Einsicht

Quellen:
Weltraum-Programme der EU - Schon bald auch militärisch nutzbar?;
Streitkräfte und Strategien 18.09.2004; www.ndrinfo.de
Die neue europäische Waffenforschung; tageszeitung 28.09.2004"
http://www.german-foreign-policy.com/de/news/article/1096754400.php?P
HPSESSID=c74731b08c595039e92fc5a03d1cea63


Damit das EU-Kapital zukünftig unabhängig von den USA(oder sogar
gegen die Interessen der USA) die "Aufrechterhaltung des freien
Welthandels und des ungehinderten
Zugangs zu Märkten und Rohstoffen in
aller Welt"(VPR 1992) militärisch durchsetzen kann.

Siehe auch EU-Kriegsverfassung:

http://www.heise.de/tp/foren/go.shtml?read=1&msg_id=5850243&forum_id=57489


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