In diesem Entwurf des neuen Wahlrechts gibt es gute aber auch schlechte Ideen.
Stichwort Direktmandate, erforderliche Mehrheit: Das jetzige Problem ist, dass die Mandate für die Erststimme bereits mit einfacher Mehrheit vergeben werden. Das ist ein Riesenvorteil für die überall stärkste Partei, der dann zu einer explodierenden Zahl an Überhangmandaten zum Ausgleich führt.
Z.B.: Gemäß offiziellen Ergebnis der Bundestagswahl 2017 hatten die Unionsparteien zusammen 37,2 der Erststimmen erhalten, aber 92,6 (!!!) der Direktmandate gewonnen, 277 von 299, und zwar nur, weil bereits die einfache Mehrheit zur Mandatsvergabe reicht. Daraus ergibt sich dann die große Zahl an Überhangmandaten und Ausgleichsmandaten.
Daher finde ich den Ansatz, dass nur derjenige Kandidat direktgewählt ist, der auch tatsächlich mehr als 50% erreicht hat, gar nicht so undemokratisch.
Man müsste dann entweder eine Stichwahl zwischen den zwei Bestplazierten machen (bei Lokalwahlen seit Ewigkeiten ganz normaler Usus), was aber höchstwahrscheinlich dann das Problem der Überhangmandate nicht abschafft.
Oder man macht es, wie in diesem Entwurf angedacht: Wenn in einem Wahlkreis kein Kandidat die absolute Mehrheit erreicht, gibt es eben kein Direktmandat in diesem Wahlkreis. Das finde ich durchaus akzeptabel. Wenn in einem Wahlkreis drei Kandidaten jeweils um die 30% Stimmenanteil haben, wäre derjenige, der dann gerade mal ein Prozent mehr hat als seine Konkurrenten mehr legitimiert als die beiden anderen? Der hätte ja nicht mal ein Drittel der Wähler in seinem Kreis hinter sich. Da finde ich es sogar besser, dann keinen Direktkandidaten zu haben.
Was ich vermisse ist, dass eine weitere Ursache angefasst wird:
Stichwort Auszählung und Ausgleich auf Länderebene: Warum wird bei der BUNDestagswahl in jedem Bundesland mit einer eigenen Landesliste gewählt und dann auf Länderebene die Überhang- und Ausgleichsmandate verteilt? Die Zahl wäre schon mal deutlich kleiner, wenn zur Wahl des Bundestages auch nur auf einer Bundeswahlliste gewählt und ausgezählt würde und nicht mit 16 Landeslisten.
Hier besteht dringender Reformbedarf: Bundestagswahl mit einer Bundesweiten Wahlliste, nicht mit 16 Landeslisten.
Gut ist, wenn man die Anzahl der Wahlkreise nicht verringern will:
Stichwort "Gerrymandering" : Hier besteht die riesengroße Gefahr, dass die neuen größeren Wahlkreise so "zugeschnitten" werden, dass sie für immer fest in der Hand einer Partei sind. Das darf nicht passieren.
Sehr schlecht finde ich die Tricks, mit denen man die kleineren Parteien aus dem Parlament rausdrängen will. Das ist gefährlich, wenn es hierzulande so werden soll wie in den USA oder UK, wo nur noch zwei Parteien überhaupt ins Parlament kommen.