Bei meinem Brötchengeber nimmt die Zahl derer zu, die lieber nur noch 30 Stunden arbeiten gehen wollen und den Freitag lieber zu Hause bleiben. Das sind jüngere Kollegen, so Mitte 20 etwa, darunter ein Entwickler, ein Mitarbeiter aus der Abteilung Einkauf und ein Lagerist. Letzterer ist Rückkehrer aus einer Berufsunfähigkeit, 30 Jahre alt und damit mal "außen vor". Die anderen beiden aber sagen klar: "Wozu voll arbeiten? Es lohnt sich nicht, denn weder kann ich mir einen Kredit für die Immobilie leisten, noch wird es mehr als die Grundrente geben."
Und damit haben sie im Grunde recht. 40 Stunden malochen für die bloße Existenzsicherung ist halt nicht nur unattraktiv, sondern schlichtweg ungerecht. Und bevor wieder das alte Lied vom "zu hohen Bürgergeld" angestimmt wird: die Höhe der Existenzgrundsicherung richtet sich halt an den Lebenshaltungskosten. Die sind halt so hoch! Also gilt folgerichtig: wenn zwischen Bürgergeld und Erwerbseinkommen kaum ein Unterschied ausmacht, dann ist Erwerbsarbeit eben zu gering bezahlt. Gegenwärtig betrifft das jedes vierte Erwerbseinkommen (Stundenlohn < 14,- Euro). Aber auch danach ist der Abstand noch zu gering. Damit der Abstand hergestellt wird, müssten pro Stunde mindestens 18,- Euro gezahlt werden. Für Heim und Rente reicht das zwar immernoch nicht, aber zumindest ist mal als Erwerbstätiger deutlich besser gestellt denn als Langzeitarbeitsloser auf Bürgergeld.
Wenn wir aber uns die Lebensziele anschauen (Immobilie, sichere Rente, private Altersvorsorge), müsste allein der Mindestlohn auf 20,- Euro die Stunde angehoben werden, ohne dass die Inflation die Lebenshaltungskosten treibt, bis die Einkommenserhöhung aufgefressen wird. Dabei werden viele, viele Unternehmen auch pleite gehen, die Arbeitslosigkeit wird ansteigen. Andererseits: warum soll die Gesellschaft unrentable Geschäftsmodelle mithilfe gesetzlich verordneter Dumpinglöhne am Leben erhalten?
Kurzum mein Vorschlag: wenn Herr Lindner will, dass die Erwerbstätigen wieder gern und mehr arbeiten, soll er mal Steuern auf Erwerbseinkommen senken und zugleich den Mindestlohn kräftig anheben. Obendrein müssen Überstunden von Steuern und Sozialabgaben befreit werden. All dies kann von Staatswegen realisiert werden. Dann soll er mal zusehen, dass er die nötige Mehrheit im Parlament bekommt. Die Bereitschaft zur Mehrarbeit gibts nur, wenn man Mehr an Arbeit auch ein Mehr in der Tasche hat. Niemand gibt Lebenszeit gern her für lau oder gar auf Kosten der Gesundheit.
In dem Sinne ... Mahlzeit!