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  • FlinxInFlux

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Re: Arnos Märchenstunde...

Stephan Geue schrieb am 17.06.2021 13:39:

Es wird Kompromisse geben müssen, und wo die - angenommen, die Grünen werden an der Regierung beteiligt sein - über das hinausgehen, was der BDI für angemessen hält, das möchte ich erst noch sehen.

Das ist grundsätzlich das Problem an der Realpolitik in Deutschland. Alleine schon, weil kaum eine Partei irgendwo noch alleine regieren kann, müssen stets Kompromisse geschlossen werden. Aktuell scheint es fast unmöglich zu sein, dass die Grünen zusammen mit der Union eine sinnvolle Koalition bilden können - nur: was anderes wird vermutlich rechnerisch kaum gehen.

Es ist schon bemerkenswert, wie sich die CDU aktuell als Anti-Grüne inszenieren. In den Umfragen scheint diese Strategie jedoch erfolgreich zu sein. Ein ähnliches Phänomen habe ich bereits vor früheren Bundestagswahlen gesehen.

Ich habe dazu folgendes gefunden:

https://www.heise.de/newsticker/meldung/Zeitweise-zu-wenig-Strom-im-deutschen-Netz-4460898.html

Richtig ist, dass im Zuge der Energiewende der Regelungsbedarf in den Übertragungsnetzen steigt. Mitschuldig sind aber auch Großkraftwerke wie in Frankreich, die in heißen Sommern oder kalten Wintern zwangsabgeschaltet werden müssen und wodurch dann Unterdeckungen entstehen (die wir Deutschen regelmäßig auffangen müssen).

Es gab in den letzen Jahren schon häufiger kritische Situation, aber die Regelungssysteme werden immer ausgefeilter.

https://www.heise.de/news/Energiesysteme-Akademien-warnen-vor-Blackouts-durch-KI-und-Hacker-5049083.html

Je stärker die Steuerung der Stromnetze von automatisierten Systeme übernommen wird, desto größer ist die Gefahr durch Hackerangriffe. Der Iran hat das bereits vor über 10 Jahren zu spüren bekommen, siehe
https://link.springer.com/chapter/10.1007/978-3-531-93299-6_47

Allerdings ist die KI-Geschichte nichts, was mit EE zu tun hätte, und wie oft Strommangelmeldungen vor zehn oder 20 Jahren zu vernehmen waren, kann ich nicht beurteilen. Die Einschätzung "immer zuverlässiger" - kommt die aus der Energiewirtschaft oder aus "unabhängiger" Quelle (wer ist schon unabhängig)?

Was ich mit "immer zuverlässiger" meinte ist unsere heutige Position im internationalen SAIDI Index, der die Zuverlässigkeit nationaler Stromnetze misst und vergleichbar macht, siehe
https://www.next-kraftwerke.de/wissen/saidi-index
https://www.ffegmbh.de/kompetenzen/system-markt-analysen/448-netzausbau-de

Ich sah letztens, dass die Stromexporte Deutschlands in den letzten Jahren deutlich abgenommen hätten. Keine Frage, dass wir mitgeholfen haben, den Franzosen in den letzten Wintern den Hintern zu wärmen. Das dürfte bei einer weiteren Reduzierung unseres Kraftwerksparks dann nicht mehr so ohne Weiteres möglich sein, denn ich sehe derzeit keinen adäquaten Ausbau der Erneuerbaren.

Das ist leider wahr. Das liegt aber nicht nur am schleppenden Ausbau in Deutschland sondern daran, dass die Franzosen immer mehr auf Risiko spielen und nicht daran denken, ihre Stromversorgung zu diversifizieren. Statt dessen wird bei denen einfach die Laufzeit von Altanlagen verlängert - wird schon gut gehen. Das wesentliche Risiko ist dabei noch nicht einmal ein GAU, sondern, dass vermehrt wichtige Großproduzenten plötzlich vom Netz gehen und die dann entstehende Unterdeckung geregelt werden muss.

Ich denke nicht, dass es den deutschen Stromkunden auf Dauer vermittelbar ist, aufgrund französischen Fehlentwicklungen deren Engpässe mittels deutlich höherer Strompreise mitzufinanzieren. (Französische Strompreise sind anders als bei uns politisch von Parlament gedeckelt.)

Für mich ist allerdings auch nicht die Stabilität des französischen oder sonst irgendeines Netzes Maßstab für die Beurteilung der Sicherheit der deutschen Stromversorgung. Das sind ja nur komparative Betrachtungen.

Der SAIDI-Wert gibt die durchschnittliche Versorgungsunterbrechung in Minuten an. Das ist durchaus ein greifbarer Wert. In Deutschland liegt er bei etwa 12 Minuten, In Frankreich bei rund 50 Minuten und in Rumänien bei über 10 Stunden.

Interessant finde ich übrigens diese Darstellung hier:

https://www.electricitymap.org/map

Spannende Karte, danke für den Link. Ich hoffe, wir erleben es in den kommenden Jahren, dass Deutschland wirklich grün wird - und zwar ohne veraltete (und in Wirklichkeit superteure) Atomkraft.

Wer ist denn so ehrlich, den Leuten zu sagen, dass es so nicht mehr weitergehen kann?

Ach, da gibt's schon Leute. Die viel spannendere Frage ist aber doch, WIE es gehen kann, wenn nicht SO und wie knirschend die Transition wird. Denn daran hängen Komfort der einen und Existenz der anderen, und wenn das kippt, hört für beide der Spaß auf.

Wenn ich alleine schaue, wie oft der angeblich kurz bevorstehende Blackout in Deutschland herbei geschrieben wurde.

Mir ist der herbeigeschriebene Blackout zehnmal lieber als der tatsächliche. Ich weiß, wir Deutschen jammern gerne und das auf hohem Niveau. Aber es ist nun mal so, dass Vorsorge sich schlechter verkauft als Katastrophenhilfe.

Stimmt schon, aber das senkt in meinen Augen die Akzeptanz der Energiewende. Die CDU (und auch FDP und natürlich AfD) ist momentan sehr erfolgreich darin, den Leuten zu erzählen, man dürfe nichts überstürzen etc. Damit werden notwendige Maßnahmen einfach weiter auf die lange Bank geschoben. Später wird alles nur noch teurer.

Flinx

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