Mathematiker schrieb am 20.04.2022 02:07:
Es ist paradox: Ohne die mutigen Leipziger Montagsdemonstrationen wäre vielleicht die Mauer nicht gefallen, der Warschauer Pakt nicht aufgelöst und das Baltikum nicht frei geworden.
Die Ossis waren damals nicht der Motor der Veränderungen im Ostblock, sondern nur ein Nachläufer. Die Montagdemonstrationen fingen erst Ende September/Anfang Oktober 1989 an, da waren die Ungarn und Polen schon lange vorher unterwegs. Die Polen hatten sogar schon Juni freie Wahlen und die Ungarn ihr Paneuropäisches Picknick.
Im Grunde folgte der Mauerfall sogar der Logik, dass die Ossis damals nicht mehr in die ehem. soz. Bruderländer reisen konnten, ohne darüber in die BRD ausreisen zu können.
Nicht die Ossis haben die Bürger der anderen Ostblockstaaten in die Freiheit geführt. Es war umgekehrt.
Die wesentlichen Faktoren für die Niedergang waren die BRD, die von niemanden im Osten mehr als Feind gesehen wurde und die Rede von Gorbatschow, in der dieser den Völkern Osteuropas ihren eigenen Weg freistellte.Und doch würden diese Länder heute eine Ostpolitik nach dem Modell Willy Brandts innerhalb der EU und der Nato entschlossen blockieren. Deutschland leistete zur Freiheit Europas einen entscheidenden Beitrag - und verlor dabei zugleich die seinen Interessen entsprechende außenpolitische Handlungsfreiheit!
Der gute Willy Brandt war tief im Westen verankert und nie ein Büttel Moskaus gewesen. Die Ostpolitik war auch nicht von einer Idee von beherrschten Völkern geprägt, sondern suchte nach Verständigung zum beiderseitigen Nutzen. Und zwar zu allen Staaten des Ostblocks.
Die Außenpolitik ist wie vieles, in der Berliner Republik in die Grütze geritten worden. Statt strategischem Denken und einem echten Interesse an Zusammenarbeit und Ausgleich, wurde rein taktisch mit innenpolitischem Fokus hantiert.
Es gibt wohl praktisch keine Position, die unsere Alt-Kanzlerin nicht irgendwann einmal wieder geräumt hätte.Der Brexit hat doch gezeigt: Die EU verlor einen der drei größten Mitgliedstaaten, weil Kommission, Parlament und letztlich auch der Rat die Einheitlichkeit der EU zentralistisch überforderten, zum Schaden Europas.
Nein, der Brexit hatte als Hauptursache die "Deutsch-EU", in der "wieder Deutsch gesprochen wird". Das Blinsengericht aus Berlin mit der damaligen Chef-Blinse Angela Merkel, an der ein Cameron genauso abgeperlt war, wie ein Obama, Sarkozy, Hollande, Renzi oder Macron. Mit der Berliner Republik ist einfach kein Staat mehr zu machen.
Das römische Reich, das Reich Karls des Großen, auch das Habsburgerreich wurden im Wesentlichen durch Erbschaften oder mit Gewalt zusammengehalten; nicht über gemeinsame Interessen.
So, so. Der interessante Aspekt ist aber, dass wir mit den Staaten des Frankenreichs eine sehr enge kulturelle Bindung haben. Die EU, die ja von diesen Nachfolgestaaten gegründet und entwickelt wurde, hat ja eine bemerkenswerte Entwicklung hingelegt.
Zwischen der Bonner Republik in diesen Staaten passte kein Blatt Papier.Die Sache ist in Osteuropa komplett anders. Die haben eine andere kulturelle Entwicklung genommen und waren sogar teilweise lange Zeit beherrschte Völker, wie z.B. die Polen. Da schaut man etwas anders nach den alten Herren Deutschland oder Russland.
Und auch der schwelende Streit mit Polen oder Ungarn beweist, dass Kommission und Parlament die drohende Gefahr eines Zerfalls der EU noch immer nicht begriffen haben.
Da hat das Kläuschen nicht viel begriffen. Die Polen und Ungarn sind hauptsächlich wegen der finanziellen Vorteile in die EU gegangen, weil viele Milliarden in den Osten umgeleitet wurden. Die Kernstaaten der EU hatten immer ein anderes Verständnis von Europa. Man kann sich schon ernsthaft die Frage stellen, welchen Nutzen diese EU-Mitglieder für die Kernstaaten bringen. Ein ala Carté funktioniert nicht.
Drittens: Wir müssen in Europa eine Form der Kooperation der EU-Staaten organisieren, die die Vielfalt dieser Staaten positiv nutzt, und die nicht glaubt, dass möglichst viel Einheitlichkeit in Europa die EU voranbringen kann. Wir dürfen nämlich nie vergessen: Die große Geschichte Europas entstammt unserer Vielfalt, sie war und ist die Quelle europäischer Kreativität. Mit Vielfalt hat Europa die Welt geprägt.
Und einmal jenseits des Schwafel? Entweder hat man eine gemeinsame Basis oder man sollte es lassen. Wenn ein Polen oder ein Ungarn meint, einfach Regeln aussetzen zu können, weil die gerade mal nicht in den Kram passt, kann das jeder machen.
Aua.
Krank.
Aua.