Ignoramus-et-Ignorabimus schrieb am 20.04.2022 21:19:
ja, zigtausende Tote und hunderte Milliarden an Sachschäden später wird man sich im Prinzip auf MinskII mit zügigen Verhandlungen einigen, es anders nennen, und Russland darf bis zur Umsetzung dann offiziell russische Truppen in den Volksrepubliken stationieren. So wird's laufen. Und das war das ganze Elend dann wert ... oh my
Das kann durchaus passieren. Wenn es noch halbwegs gut für Russland läuft. Ich habe persönlich ja doch meine Zweifel, dass man in Russland tatsächlich in der Bevölkerung einen längeren Krieg mitträgt, den man sozusagen nur durch totale Einäscherung der Ostukraine wenigstens teilweise gewinnen kann. Dass man den Leuten dort irgendwie was gutes tut, wird dann wohl wirklich irgendwann niemand mehr glauben. Die Nazis (von denen es unzweifelhaft welche gibt, wie übrigens in jedem Land und sicher auch in quasi jedem Militär) müsste man auch in der Masse erstmal finden, um die Bevölkerung bei der Stange zu halten. Ich sehe nicht wirklich, wofür man sonst so hohe Opfer in Russland in Kauf nehmen sollte? Dass russisch Amtssprache bleibt beispielsweise? Ich weiss ja nicht. Dazu kommt, dass man bei einem längeren Abnutzungskrieg der als großer Aggressor aufgebauten Nato irgendwann ja auch eher wenig gegenüberstellen kann, ist ja alles verschlissen, verschossen bzw. durch Sanktionen auch kaum so einfach aufzufüllen. Dazu gibt es als Ergebnis absehbar gleich noch viel mehr Nato an den Grenzen, absehbar steigend parallel zu einer weiteren verrohung und Brutalisierung der Kriegsführung.
Wenn es schlecht für die Ukraine läuft bzw. gelaufen wäre (der Zug ist so langsam wohl abgefahren), dann wäre nun so eine Marionette wie Janukowitsch an der Macht in Kiew, die Ostukraine vermutlich schon längst Russland angeschlossen (möglicherweise gleich der Rest, wenn man schon mal dabei ist...), der Status der Krim sowieso endgültig zugunsten Russlands geklärt. Von Säuberungen "russophober Personen" im ganzen Land, irgendwelchen "Reparationen" an Russland und natürlich einem quasi-Verzicht auf eine Armee die den Namen verdient als Dank für die Befreiung oder ähnliche Nettigkeiten mal nicht zu reden.
Wenn es nur um Minsk gegangen wäre, hätte auch Russland entsprechenden Druck auf die Separatisten ausgeübt, oder? Soweit ich weiss, haben sich aber beide Seiten bei der Umsetzung nicht allzu sehr mit Ruhm bekleckert. Gerade die Separatisten wären sicher sehr schnell verhandlungsbereit gewesen und auch zu deutlichen Zugeständnissen, wenn der Materialfluss aus Russland mal ernsthaft ausgeblieben wäre. Die hätten nämlich sonst schlicht so ziemlich nirgends irgendwas bekommen.
Ein Sieg Putins würde auch nicht viel besser aussehen. Da wird man sich dann vielleicht über den Status der Krim und des Donbass einigen, und getürkte Volksabstimmungen in Mariupol und Kherson zulassen. Ob das die Ukraine in ein paar Jahren dann noch für verbindlich halten wird, ist wieder eine andere Frage....
Wohl wahr. Einen "Sieg" kann es in meinen Augen für Russland eh praktisch gar nicht mehr geben. Dafür hätte man tatsächlich als Befreier begrüsst werden müssen, quasi die Besetzung der Krim als wesentlich größere Operation wiederholen können müssen.
Krieg ist zwar grundsätzlich sinnlos, aber dieser spätimperiale Wahnwitz trumpft das meiste bisher dagewesene. Mal diesen Fussballkrieg zwischen El Salvador und Honduras in Mittelamerika aussen vorgelassen vielleicht.
Sicher, sehe ich nicht anders. Mein persönlicher Eindruck ist der: Russland hatte im Prinzip genau nichts, was man der Ukraine zu einer Entschärfung der Situation vor dem Krieg anbieten konnte. Was auch? Der Bürgerkrieg war am Ende des Tages eben auch eine innerukrainische Angelegenheit. Wie der "Putsch" (wenn man es denn so sehen will) im übrigen auch! Oder darf dann auch die Nato intervenieren, wenn in Russland Putin gestürzt wird beispielsweise? Da die Ukrainische Armee tatsächlich eine schlagkräftige wurde, war also klar, dass Russland mangels Verhandlungsmasse entweder sozusagen das "Projekt Russlandorientierte (Teil)Ukraine" drangeben musste, da die Separatisten früher oder später überrannt worden wären, zumindest ohne drastische Unterstützung durch Russland - oder eben zum Krieg greifen. Sonst hatte man halt einfach nichts mehr im "Besteckkasten". Besonders für Russland spricht es jedenfalls in meinen Augen nicht, wenn die scheinbar so ziemlich einzige Möglichkeit Staaten an sich zu "binden" letztlich angedrohte und ausgeübte militärische Gewalt ist.
Das Posting wurde vom Benutzer editiert (20.04.2022 22:13).