Mehr als Lippenbekenntnisse sind es halt nicht zur "Pflegelücke". Die "Helden" von 2020 wurden 2022 vor die Tür gesetzt, wenn sie sich nicht haben immunisieren lassen gegen das C-Virus. Da haben einige ihren Job verloren - und haben sich neu orientiert.
Der größte Aderlass in der Pflegebranche ist das aber nicht gewesen, auch wenn in der Plötzlichkeit sicher nicht zu verachten.
Nein, die wirkliche Problematik liegt in den jahrelangen Erosionskräften, die insbesondere dank der Privatisierung des Pflegesektors enorm an Fahrt aufgenommen hat. Denn dort gilt nicht "Redundanz und Sicherheit" sondern allein "Wirtschaftlichkeit". Da haben Redundanzen, etwa leere Betten und Personal, was vorgehalten wird, keinen Platz, das ist teuer. Leere Betten kosten, Patienten in der Warteschlange kosten nichts. Der Shareholder sieht es auch eher ungern, wenn nur 80% der Betten belegt sind.
Nun ist die Pflegebranche eine außerordentlich fordernde Angelegenheit, psychisch wie physisch. Da hat der Tag 24 Stunden und die Woche hat 7 Tage, das Jahr ist 365 Tage lang, es muss immer jemand erreichbar sein, egal ob Arzt, ob Kranken- oder Altenpflegekraft. Das lässt sich nur abbilden über ein entsprechendes Schichtsystem und der Bereitschaft der Beschäftigten, auch mal Weihnachten auf Station statt bei der Familie zu verbringen und Ostern mit den Patienten statt bei Oma und Opa. Das alles ging jahrzehntelang gut: Menschen helfen galt als Berufung.
Das ist seit einigen Jahren vorbei.
Während in anderen Branchen für das Recht auf Homeoffice gestritten und die 4-Tage-Woche thematisiert wird, schütteln die Pflegekräfte eher die Köpfe. Denn für sie kommt weder das eine noch das andere in Frage. Die Bezahlung ist, gemessen an Schichterei und Belastung eher zu gering als zu hoch. Aber wirklich schlecht ist die Perspektive: es wird auf absehbare Zeit nicht besser. Viele altgediente Krankenschwestern und -pfleger gehen in Rente. Neue wachsen nicht im gleichen Maße nach. Viele geben auf halben Wege in ihrer Karriere auf, weil sie der ständig wachsenden Belastung nicht mehr gewachsen sind. Zwar ist das Ansehen nicht schlecht, die Attraktivität kann man aber vergessen. Also wollen immer weniger Menschen sich ausbilden lassen im Pflegebereich. Damit werden es immer weniger Kräfte, die immer mehr Patienten gegenüber stehen, die Schichten werden noch länger, die Belastung steigt noch mehr, die Attraktivität sinkt noch weiter. Die Erosion ist bereits in vollem Gange.
Natürlich könnte man eine Abkehr finden von dem Pfad.
Aber dafür müsste man halt den Privaten so schmerzhaft auf die Zehen treten, dass sie freiwillig ihre Kliniken wieder den Kommunen übergeben. Aber eigentlich ist der Urfehler ja ohnehin die Privatisierung an sich gewesen - doch wie belangt man jene Entscheidungsträger vor 20 Jahren, die so Dinge wie die Helios-Kliniken überhaupt erst ermöglicht haben? Denn letztendlich machen die Privaten nur das, was sie am besten können: Gewinne abschöpfen. Dass sie dabei unmittelbar am Fluss staatlicher Mittel hängen, der nie zu versiegen droht, ist natürlich das I-Tüpfelchen. Echte Konkurrenz gibt es auch nicht. Sicherlich hätte man von staatlicher Seite von Anfang an Regulationen aufziehen können, wie so ein Ärztehaus, eine Klinik o.ä. geführt werden muss, aber dann wäre sehr schnell aufgefallen, dass man nicht viel Profit machen kann bei all den Auflagen. Und dann wäre die Privatisierung ins Wasser gefallen.
Wirklich abstellen ist nur mit einem Rollback bis zu dem Zeitpunkt, als nix privatisiert war in dem Bereich. Dazu die Versorgungslücke schließen mit einem Pflichtjahr "Zivildienst". Die Attraktivität des Pflegebereichs erhöht das nicht sofort, aber vielleicht bleibt der eine oder andere ja doch hängen wegen "Berufung". Danach MUSS aber aan der Attraktivität gearbeitet werden. Das geht halt nur, wenn wieder genügend Personal an den Kliniken angestellt wird und der eine oder die andere Kollege /-in mal fünf Minuten die Finger gerade sein lassen kann.